Digitale Assistenten sollen in Zukunft das Leben älterer Menschen erleichtern und einen Zugang in die digitale Welt ermöglichen. Die Hochschule Luzern hat die Assistentin «Anne» entwickelt und getestet.
Jetzt spricht «Anne». Sie soll älteren Menschen helfen, an denen die Digitalisierung vorbeigegangen ist und die heute deswegen Probleme im Alltag haben – und morgen noch viel mehr. Das geht schon beim Kauf eines SBB-Tickets los.
So sind viele ältere Menschen digital abgehängt, was sich in der Coronazeit noch stärker bemerkbar gemacht hat. Konnten die einen sich wenigstens digital noch am Leben beteiligen, vereinsamten andere ganz. Das brachte das iHomeLab der Hochschule Luzern, die «Anlaufstelle Alter» der Stadt Luzern und den Verein Vicino im vergangenen Sommer auf die Idee, das Pilotprojekt «Anne light» auszubauen.
Das iHomeLab forscht an Active Assisted Living (AAL), bei dem Technologien für morgen gesucht werden, welche älteren Menschen ermöglichen, so lange wie möglich selbstständig zu leben. Dank digitaler Assistenten sollen Menschen länger zu Hause wohnen können, was unter anderem deutlich weniger Kosten verursacht als ein Leben in einem Pflegeheim.
Ein solcher Assistent ist die am Luzerner iHomeLab entwickelte «Anne», eine freundlich dreinblickende Frau auf einem Tablet. «Anne» bietet wenige, aber gezielte Funktionen an, das unterscheidet sie von herkömmlichen Sprachassistenten wie Siri von Apple und Alexa von Amazon: Sie hilft bei Audio- und Videotelefonie mit Angehörigen und Pflegenden, erinnert bei Bedarf daran, Medikamente einzunehmen und bietet Unterhaltungsspiele an.
«Anne» wurde so konzipiert und entwickelt, dass auch Menschen ohne digitale Vorkenntnisse das Tablet mit «Anne» nutzen können, wie Projektleiter Andrew Paice von der Hochschule Luzern erklärt. Auch ohne Erfahrung in der digitalen Welt hätten ältere Menschen schnell damit umzugehen gelernt.
Als Bedienung dient eine Sprach-Schnittstelle. «Die Nutzerin oder der Nutzer muss keinen spezifischen Satz sagen, ‹Anne› erkennt die Schlüsselwörter und kann herausfinden, welche Reaktion passend ist», sagt Paice. Die Anzahl möglicher Reaktionen von «Anne» hängt davon ab, wie viele Funktionen, Spiele, Video-Call, Radio, Termine, Erinnerungen auf dem Tablet eingerichtet wurden.
Durch die Sprachfunktion und das virtuelle Gesicht von «Anne» entsteht der Eindruck einer persönlichen Kommunikation. Für einige Testpersonen sei die Anwesenheit einer virtuellen Person befremdlich gewesen, andere hätten sich darüber amüsiert und mit «Anne» gesprochen. Nicht alle mochten sie, einige Testpersonen empfanden «Anne» als zu hart oder kühl.
An wen sich die digitale Assistenz genau richtet, kann Paice nicht exakt formulieren. Die digitale Fitness älterer Menschen sei sehr unterschiedlich. Projektleiter Andrew Paice sagt:
«Es gibt 70-Jährige, die mit dem Handy Probleme haben, und es gibt 80-Jährige, die sich selbstständig neue digitale Geräte aneignen.»
Man unterscheide in der älteren Bevölkerung nicht nach dem kalendarischen Alter, sondern zwischen einer aktiven und einer fragilen Lebensphase. «‹Anne› ist für Personen beim Übergang zwischen diesen Phasen gedacht», sagt der Professor am iHomeLab.
Im Test habe sich gezeigt, dass «Anne» Struktur und Halt im Alltag für Ältere sowie Sicherheit für die Angehörigen biete. «Anne» könne die Präsenz einer anderen Person simulieren mit ihrer Stimme und ihrem Gesicht. Das helfe älteren Menschen, ihr Leben besser zu gestalten und die Lebensqualität zu verbessern.
An einem Ausbau von «Anne light» werde geforscht. «In vergangenen Projekten haben wir ‹Anne› mit Smart-Home-Automation und auch mit Sensoren, also mit Gesundheits- und Aktivitätstrackern verbunden. Es gibt zudem die Möglichkeit, sie in andere Software-Plattformen zu integrieren», sagt Paice. So könnten Concierge-Apps, Bewertungen von Hotels und anderen Angeboten oder Quartier-Apps mit «Anne» genutzt werden.
In einem weiteren internationalen Projekt mit Beteiligung der Hochschule Luzern in Holland, Polen, Rumänien und der Schweizwurde untersucht, unter welchen Umständen digitale Assistenten von älteren Menschen akzeptiert werden und ob ein Mehrwert entsteht, wenn mehrere Systeme für Ältere kombiniert werden.
Es zeigte sich, dass die Akzeptanz vor allem dann hoch war, wenn die digitalen Assistenten möglichst genau auf die Bedürfnisse einer Person zugeschnitten waren. Ein digitaler Gemischtwarenladen mit vielen Funktionen war weniger gefragt.