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Leben
Forscher werden Zuckerkranken Bauchspeicheldrüse-Zellen ins Auge spritzen. So sollen tägliche Insulin-Injektionen überflüssig werden.
Sich nach jeder guten Mahlzeit selbst mit einer Nadel stechen müssen, um nicht ohnmächtig zu werden? Klingt schrecklich, ist aber der Alltag vieler Diabetes-Typ-1-Patienten. Ihre Bauchspeicheldrüse produziert nicht genügend Insulin und kann deshalb den nach dem Essen erhöhten Blutzuckerspiegel nicht senken. Betroffene leiden an Müdigkeit und übermässigen Durst, manche fallen nach wenigen Stunden sogar ins Koma.
Die Symptome lassen sich mit künstlichem Insulin behandeln, das Hormon muss aber mehrmals täglich zwingend mit einer Spritze verabreicht werden. Forscher versuchen darum schon seit langem, Diabetikern insulinproduzierende Zellen aus der Bauchspeicheldrüse von Toten zu implantieren. In der Regel werden die Spenderzellen in die Leber gespritzt, weil sie dort am besten überleben und ausreichend mit den Blutgefässen Kontakt haben. Doch nach etwa einem Jahr werden die fremden Zellen vom Immunsystem der meisten Patienten angegriffen, und die Zuckerkranken müssen wieder täglich zur Spritze greifen.
Amerikanische Wissenschafter fanden nun einen Trick, mit dem sie das Abgestossungsproblem lösen könnten. Sie haben in Tierversuchen entdeckt, dass Immunzellen in den vorderen Augenkammern wenig aktiv sind. Wenn die insulinproduzierenden Zellen ins Auge statt in die Leber injiziert würden, sollten sie langfristig überleben können.
In Versuchen mit diabeteskranken Affen und Mäusen bestätigte sich ihre These: Die Spenderzellen überlebten im Auge tatsächlich und sorgten dafür, dass die zu spritzende Insulinmenge um etwa 60 Prozent verringert werden konnte. Die Sehfähigkeit der Tiere verschlechterte sich durch die Zellinjektion nicht.
Die amerikanische Arzneimittelbehörde hat nun diesen Frühling den Vorschlag für eine erste klinische Studie am Menschen gutgeheissen: Ein Forscherteam des Bascom Palmer Eye Instituts in Miami darf in den nächsten Monaten einer Gruppe von 10 Diabetespatienten insulinproduzierende Beta-Zellen in die vordere Augenkammer spritzen (in den durchsichtigen Raum vor dem farbigen Iristeil des Auges). Laut den Wissenschaftern kann die Prozedur unter lokaler Betäubung erfolgen und dauert für die Probanden nur etwa 30 Minuten. Die Patienten sollen in der Folge aber etwa sechs Jahre lang immer wieder untersucht werden.
Die Studie könnte nicht nur für Diabetiker interessant sein, sondern auch für alle anderen Patienten, die Zellen transplantiert bekommen. Denn im glasigen Teil des Auges lässt sich live mitverfolgen, wie gut die Spenderzellen vom Körper akzeptiert werden und welchen Effekt zusätzliche Medikamente haben. Gut möglich, dass dadurch auch grundlegende Erkenntnisse für die Verbesserung von anderen Transplantationstherapien gewonnen werden.