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Leben
Während der Pandemie boomt die Game-Branche. Neue Spielkonsolen von Sony und Microsoft werden den Verkauf weiter ankurbeln. Wir haben beide getestet und sind uns uneinig, ob die Playstation 5 oder die Xbox Series X besser ist.
Für die Videospielindustrie könnte das Jahr 2020 nicht besser laufen. Zwei seltene Gegebenheiten fallen zusammen und sorgen für Rekordumsätze. Da wäre zum einen das Jahrhundertereignis der Pandemie: In Zeiten von Lockdowns und Ausgangssperren tauchen die Menschen zuhause umso tiefer in Computerspielwelten ein. Zum anderen kommt dieses Jahr eine neue Generation von Spielkonsolen auf den Markt, was immerhin fast ein Jahrzehntereignis ist.
Während das iPhone jedes Jahr erneuert wird, liegt der Lebenszyklus einer Konsole bei ungefähr sieben Jahren. Eben haben Sony mit der Playstation 5 und Microsoft mit der Xbox Series X und Series S ihre neuen Spielgeräte lanciert. In der Vergangenheit war eine neue Konsolengeneration gleichbedeutend mit dem Eintritt in eine neue Spiel-Ära: Der Super Nintendo und der Sega Mega Drive ermöglichten erstmals Gamen in Farbe, die Playstation und der Nintendo 64 Spiele in 3D und die Playstation 3 und die Xbox 360 Grafik in High Definition.
Bei der Playstation 5 und der Xbox Series X ist das nicht der Fall. Gamen ist damit nicht fundamental anders. Natürlich haben die Game-Maschinen mehr Grafik-Power. Spielen in 4K-Auflösung ist nun neuer Standard. Ob man das ganze Potenzial ausschöpfen kann, hängt aber vom Fernseher ab. Längst nicht alle Modelle schaffen eine Rate von 120 Bildern pro Sekunde, die das Geschehen auf dem Schirm besonders flüssig erscheinen lassen.
Auf dem Papier ist die neue Xbox gegenüber der Playstation 5 leicht im Vorteil. Wir haben beide Konsolen ausprobiert, bedeutende Unterschiede konnten wir keine erkennen. Auch die Playstation 5 überzeugte mit kurzer Ladezeit und detailgenauer Grafik. In der Regel verbessert sich die grafische Qualität der Spiele noch, wenn sich die Designer und Programmierer erst mal an die neuen Konsolen gewöhnt haben – und alles aus der Hardware herauskitzeln können.
Viele der derzeit erhältlichen Spiele wie etwa «Gears 5» (Xbox) wurden ursprünglich für die letzte Konsolengeneration programmiert und nun aufgemotzt. Oder sie erscheinen wie «Spider-Man» gleichzeitig auf der Playstation 4 und der Playstation 5.
Überhaupt sind die neue Xbox und die Playstation 5 nicht mehr ganz so autarke Systeme wie ihre Vorgänger: Es lassen sich darauf auch Spiele von älteren Konsolen nutzen, und die Controller der Playstation 4 beziehungsweise der Xbox One funktionieren ebenso. Das ist konsumentenfreundlich, zeigt aber auch, dass das Hochrüsten allmählich an ein Ende kommt und die technischen Unterschiede sich weniger stark in grafischer Qualität auswirken. Somit könnte diese Schlacht im Kampf der Konsolen auch über den Preis ausgetragen werden.
Sowohl von der neuen Xbox als auch von der Playstation 5 gibt es abgespeckte Versionen: Die Playstation 5 ist auch ohne Blu-ray-Laufwerk für 400 statt 500 Franken erhältlich. Die kleine Schwester der Xbox Series X ist die Series S und kostetet nur 300 Franken (200 Franken weniger). So günstig war eine neue Spielkonsole selten. Es ist Microsofts Kampfansage an Sony. Denn die letzte Schlacht ging klar an die Japaner. Von der Playstation 4 wurden 114 Millionen Exemplare verkauft, von der Xbox One lediglich 43 Millionen.
Die Perspektiven für Microsoft sind nicht schlecht. Bis im Frühling, so schätzen Marktforscher, werden 8,5 Millionen Playstation 5 und 6,5 Millionen Xbox Series X und Series S verkauft. Möge der Kampf der Konsolen weitergehen.
Zwei Kommentare von Federico Gagliano und Raffael Schuppisser
Playstation 5: Konsolen brauchen Videospiele
Leistung, Benutzerfreundlichkeit oder Design sind sekundär, das Videospielangebot ist entscheidend. Und dass Hersteller Sony in diesem Bereich liefern kann, hat er bereits mit der Playstation 4 bewiesen: Titel wie «Bloodborne», «Spider-Man» «God of War» und «Last of Us» gehören zu den besten Videospielen der letzten Konsolengeneration – und sind nur auf Playstation erhältlich.
Gleiches darf man auf der Playstation 5 erwarten: Im Gegensatz zur Xbox startet Sonys neue Konsole mit einer Palette neuer Videospiele, die nicht nur verschiedene Genres abdecken, sondern auch gleich die neuen Features der Konsole zur Schau stellen. Die Show beginnt beim Einschalten mit «Astro’s Playroom»: Das auf der PS5 vorinstallierte Spiel zeigt ab der ersten Minute, wie eindrücklich der neue Controller ist. Durch Vibration und adaptiven Tasten kann er nämlich Dinge simulieren, die im Spiel passieren: Spannt man einen Bogen, wird die Taste beispielsweise zäher beim Drücken. Die Videospiele erreichen dadurch eine physische Stufe, die das Erlebnis noch verstärkt.
Mit zwei anderen Titeln, «Spider-Man: Miles Morales» und «Demon’s Souls», zeigt Playstation zudem, was sich grafisch bereits aus der Konsole holen lässt. Ob Reflexionen an Hochhäusern in New York oder knisternde Flammen in dunklen Verliesen – alles erscheint in neuem Glanz.
Auf der technischen Seite sind aber die Ladezeiten noch beeindruckender als die Grafik: Statt Minuten dauert es nur Sekunden, bis man mitten im Geschehen ist – vorbei die Zeiten, als man bei jedem Ladebildschirm noch das Handy in die Hand nahm. So hat man auch mehr Zeit für die Spiele – und um die geht es schliesslich.
Die Computerbranche ist konservativer, als man denken könnte: Seit Jahrzehnten werden die gleichen Spiele in neuer Form aufgelegt – und auf Discs verkauft. Zeit für ein bisschen frischen Wind. Microsoft macht es Netflix nach und setzt nicht mehr nur auf einzelne Spiele, sondern auf Abos: Für eine monatliche Gebühr von 15 Franken erhält man Zugang zu (vorerst) gut 100 Topspielen. So müssen wir uns nicht mehr entscheiden, ob wir uns lieber durch das neuste «Call of Duty» oder «Battlefield» ballern wollen. Wir probieren einfach beides aus. Ausserdem sind Xbox-Spiele nicht mehr auf den TV beschränkt.
Sie lassen sich nun auch auf das Smartphone oder Tablet streamen. Dort, wo man auf dem Fernseher gestoppt hat, spielt man auf dem Handy weiter. Die Xbox wird zur eigenen Game-Cloud. Da werden nicht nur Gamer hellhörig, sondern auch Microsoft-CEO Satya Nadella. Seit er am Ruder ist, entwickelte sich der Konzern erfolgreich zu einem Cloud-Dienstleister weiter. Nun beginnt er sich auch für die Gamesparte zu interessieren. Sein Portemonnaie sitzt locker.
Eben hat Microsoft das Studio Bethesda übernommen. Grandiose Rollenspiele wie «Fallout» oder «The Elder Scrolls» und traditionsreiche Shooter wie «Doom» oder «Wolfenstein» werden künftig wohl Exklusivtitel der Xbox sein. Doch damit ist nicht genug. Der Konzern hat bereits den Kauf von weiteren Studios angekündigt. Die Zeit, als Sony die besseren Spiele hatte, wird bald vorbei sein.
Braucht es noch mehr Argumente? Ach ja, die kompakte neue Xbox passt bestimmt unter jeden TV, das Konsolen-Monster von Sony womöglich nicht. Das Auge spielt mit. Nicht nur auf dem Bildschirm.