Kambodscha, eines der ärmsten und korruptesten Länder Südostasiens, kämpft mit vielen Problemen. Seine Menschen aber sind freundlich, bescheiden und zuvorkommend.
Ein totes Huhn, an seinen Füssen am Kofferraumdeckel festgeklemmt, hängt am weissen Kleinbus, der uns in Sihanoukville überholt.
Es ist etwas vom Seltsamsten, das wir auf unserer Fahrt durch die Stadt zu sehen bekommen, trotzdem passt es in diese chaotische Umgebung, wo an jeder Ecke gebaut wird, und doch alles alt aussieht, jeder jeden überholt und die Schlaglöcher so tief sind, dass Offroader in der Stadt plötzlich Sinn machen.
Zwischen 2016 und 2018 investierten die chinesische Regierung und private chinesische Unternehmen in der Provinz Sihanoukville nach offiziellen Angaben eine Milliarde Dollar. Es gibt rund 50 Casinos in chinesischer Hand, überall werden Hotelanlagen und Hochhäuser gebaut. Das bringt zwar viele Touristen und Arbeiter in die Stadt, hat aber auch seine unübersehbaren Schattenseiten: Vor wenigen Monaten ist ein Gebäude noch während des Baus eingestürzt. 28 Arbeiter, die im Rohbau geschlafen hatten, kamen ums Leben, es gab rund zwei Dutzend Verletzte. Und auch bei den Strassen wird kein Wert auf Qualität gelegt. Ein Einheimischer umschreibt das Problem so: «Angenommen, du möchtest hier eine Strasse bauen, kommst damit zu mir und gibst mir 10 Dollar. Dann suche ich jemanden, der das für 7 Dollar macht. Schliesslich baut sie jemand für 3 Dollar, und dementsprechend ist die Qualität.»
Trotzdem lohnt sich die holprige Fahrt, denn sie führt zum Hafen, von wo aus ein Boot auf die traumhafte Insel Koh Rong übersetzt. Für Livio Ranza, während unseres Besuchs Chef über «The Royal Sands» auf Koh Rong, sind die schlechten Strassen in Sihanouk ein echtes Problem: «Früher hat die Fahrt vom Flughafen zum Meer etwa 20 Minuten gedauert. Jetzt rund anderthalb Stunden.»
Nach der Hektik in Sihanouk geniesst man die Ruhe und Schönheit von Koh Rong umso mehr. Besonders empfehlenswert: eine Kajaktour. Auf dem Fluss, der durch den dichten Inselwald führt, ist das Paddeln kinderleicht, weil es praktisch keine Strömung gibt. Am Ende wartet eine Bucht mit vielen Sandbänken und der Blick aufs weite Meer – unvergesslich.
Kambodscha ist eines der ärmsten Länder Südostasiens. Das wird auf der Reise von Phnom Peng über Siem Reap bis nach Koh Rong immer wieder sichtbar. Genauso präsent sind aber die Menschen, die sich trotz teils widriger Umstände ihre Lebensfreude nicht nehmen lassen. Überall wird man mit einem Lächeln bedient, die Menschen machen einen zufriedenen Eindruck.
Der harte Arbeitsalltag lässt sich erahnen, wenn man Morgens vor einer der über 1000 Kleiderfabriken steht. Bereits um 5 Uhr stehen die Frauen überall am Strassenrand und warten auf ihre Mitfahrgelegenheit. Wer es sich leisten kann, fährt die Strecke mit dem Mofa, aber wegen der Benzinpreise teilen sich die meisten einen Fahrer. Der kommt mit einem Pick-up oder einem kleinen Lastwagen, auf dessen Ladefläche sich zwei bis drei Dutzend Frauen stellen können.
6000 bis 7000 Arbeiterinnen pro Fabrik treffen pünktlich um 6 Uhr ein, um für eine von über 100 Labels Kleider zu nähen. Für welches, das wissen die Arbeiterinnen nicht, die Kleider werden zur Endfertigung in ein anderes Land, zum Beispiel nach Vietnam, weitergeschickt.
Manche Arbeiterinnen holen sich noch rasch den Segen eines Geistlichen oder ein Frühstück, das es für 15 Cent zu kaufen gibt. Das liegt gerade noch drin beim Monatsverdienst von 178 Dollar.
Doch was den Menschen hier am meisten Sorgen macht sind drohende Sanktionen der EU. Kambodscha steht wegen anhaltender Missachtung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten vor dem Verlust des zollfreien Zugangs zum EU-Binnenmarkt. «Wenn auf unseren Waren plötzlich Zölle erhoben werden, würde das bedeuten, dass die Fabriken in ein anderes Land weiterziehen, und all die Menschen hier ihre Arbeit verlieren», erklärt uns ein Einheimischer. Unter den Sanktionen der EU hätte also besonders die verarmte Landbevölkerung zu leiden.
Auch als Tourist stellt man sich die Frage, ob man ein Land unterstützen möchte, das laut Transparency International zu den 20 korruptesten der Welt gehört. Allerdings kann man als Tourist die Einheimischen direkt unterstützen, und vielleicht kann die touristische Öffnung auch einen positiven Effekt auf das Land haben.
Zu entdecken gibt es viel in Kambodscha. Etwa wunderschöne Tempelanlagen. Die bekannteste von ihnen, Angkor Wat, ist allerdings selbst bei Regen schon am frühen Morgen von Touristen überlaufen.
Wer sich an den vielen Influencern stört, die sich hier hinter jedem Stein in Szene setzten, der sollte eher einen anderen Tempel besuchen, obwohl auch da der Touristenansturm gross sein kann. Empfehlenswert ist etwa der Tempel Ta Prohm, bekannt aus dem Film «Tomb Raider». Und auch Angkor Thom und Bayon sind einen Ausflug wert.
Höhepunkte ist aber die Tour mit «Vespa Adventures» durch Siem Reap. Ein persönlicher Fahrer kutschiert die Gäste auf der Vespa quer durch die Stadt und den unübersichtlichen Verkehr. Erste Station ist eine Bierbrauerei, wo es eine kleine Verköstigung und natürlich auch eine Auswahl an leckeren Gerstensäften zu degustieren gibt. Auf dem Markt sind die kulinarischen Höhepunkte dann eher etwas für die Neugierigen: Von frittierten Fröschen über Seidenraupen und Schnecken, Heuschrecken und Maden gibt es hier eine ganze Auswahl an Delikatessen, die es in Europa eher selten auf den Teller schaffen. Wer davon nicht satt wird, der hat beim anschliessenden Nachtessen Gelegenheit, den Magen mit Poulet, Rindfleisch und Reis zu füllen.
Wie wenig die Leute zum Leben haben, zeigt ein Besuch im Farmhouse Smiling Gecko. Der Reiseveranstalter Travelhouse unterstützt dieses Sozialprojekt. Hier werden einfache Häuser und Land an verarmte Familien vergeben und ihnen damit ermöglicht, eigene Lebensmittel anzubauen. Daneben wird in den Schule den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht.
Touristen können in den Gästehäusern übernachten und unterstützen damit das Projekt. Im hauseigenen Gastronomiebetrieb werden nicht nur Einheimische ausgebildet, es werden Angestellte, Gäste und besonders die Kinder, die hier zur Schule gehen, mit schmackhaften Mahlzeiten versorgt.
Der Österreicher Andreas Kaufmann ist dafür verantwortlich und erklärt, worauf er achten muss: «Die Ernährung der Kinder muss ausgewogen sein – wer täglich weissen Reis isst, bekommt leicht Diabetes. Am Freitag koche ich immer etwas Währschaftes.» Der Grund dafür stimmt traurig: «Manche der Kinder bekommen übers Wochenende nur wenig oder gar nichts zu essen, wenn sie bei ihren Familien sind, da ist es wichtig, dass sie noch etwas Kalorien zu sich nehmen können.»
Anreise Täglich Flüge von der Schweiz nach Phnom Penh und Siem Reap mit verschiedenen Fluggesellschaften Reiseveranstalter Kambodscha- und Asien-Programme bei Travelhouse, Tel. 058 569 90 35, www.travelhouse.ch
Unterkünfte Victoria Angkor Resort & Spa, Siem Reap, www.victoriaangkorhotel.com; The Royal Sands, Koh Rong.
Ausflugtipps Die 4½-stündige geführte Abendtour «Siem Reaps Kulinarik per Vespa» in Englisch führt durch die Strassen Siem Reaps, wo an verschiedenen Stopps jeweils lokale Spezialitäten verkostet werden, ist bei Travelhouse ab CHF 94.– pro Person buchbar (www.travelhouse.ch/a-144012)
Einreise Mindestens sechs Monate über das Reisedatum hinaus gültiger Reisepass. Visa werden vor Ort ausgestellt. Kosten: 30 Dollar Beste Reisezeit November bis März
Die Reise wurde ermöglicht durch Travelhouse.