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Selbst Sportarten, welche die Gelenke stark belasten, bremsen Arthrose in den Knien. Das zeigt eine neue Studie. Nur Fussball bleibt tabu.
Schwimmen, Walking und Radfahren: Ja. Doch Tennis, Jogging, Aerobic oder gar Skifahren? Nein. Gerade ältere und übergewichtige Menschen glauben oft, dass bestimmte Sportarten schlecht für ihre Kniegelenke sind. Doch eine aktuelle Studie aus den USA zeigt das Gegenteil: Gelenkbelastender Sport ist immer noch besser fürs Knie als gar kein Sport.
Das Team von der Northwestern University in Chicago hat bei knapp 1200 Frauen und Männern über zehn Jahre hinweg das Risiko untersucht, an einer Gonarthrose, einem schmerzhaften und entzündlichen Verschleiss der Kniegelenke, zu erkranken. Das Durchschnittsalter der Probanden lag zu Studienbeginn bei 58 Jahren, ihr Körpergewicht im Durchschnitt etwas über der Norm. Einige von ihnen klagten zwar schon über gelegentliche Schmerzen im Knie, doch ihr medizinischer Befund war an diesem Gelenk noch unauffällig. Sie gehörten also zur Risikogruppe für eine Gonarthrose, waren aber noch nicht konkret an ihr erkrankt.
Die Probanden wurden im Studienzeitraum mindestens zweimal radiologisch untersucht und zu ihren sportlichen Tätigkeiten befragt. Nach Ablauf der zehn Jahre hatten 13 Prozent der Studienteilnehmer eine Gonarthrose entwickelt. Doch das ist nur der Durchschnittswert. Die Nicht-Sportler hatten nämlich eine Quote von über 15 Prozent, ihr Erkrankungsrisiko war also höher. Demgegenüber lag die Zahl bei denjenigen, die sich drei bis vier Mal pro Woche sportlich betätigten, nur bei neun Prozent. Das entspricht gegenüber den Couch-Potatoes einer Senkung des Gonarthrose-Risikos um knapp 40 Prozent.
Selbst bei den Gelegenheitssportlern mit ein bis zwei Trainingseinheiten pro Woche sank das Risiko noch um rund ein Drittel. Die hochaktiven Athleten mit mehr als fünf Trainingstagen pro Woche hatten zwar ein Gonarthrose-Risiko, das dem Durchschnitt aller Probanden entsprach. Doch das heisst letztlich, dass ihre Kniegelenke zwar nicht mehr von ihrem Sport profitierten – aber auch keinen überproportionalen Schaden nahmen.
Für Studienleiterin und Biomechanikerin Alison Chang steht daher fest, «dass intensiver Sport, vor allem in geringem bis mässigem Umfang, zum Schutz vor Gonarthrose beiträgt». Wem es also das eine oder andere Mal im Knie zwickt, sollte nicht etwa sportliche Aktivitäten aus seinem Alltag streichen, sondern sie erst recht mit hineinnehmen. Und sie oder er kann sich dafür auch auf die Joggingbahn oder den Tennisplatz begeben, wo es etwas rauer für die Gelenke zugeht.
Das Problem ist jedoch: Gerade Menschen mit Gonarthrose-Risiko scheuen die Bewegung. «Von unseren Probanden verzichtete fast die Hälfte komplett auf jegliche sportliche Aktivitäten», sagt Chang. Vermutlich aus Angst, ihren Kniegelenken zu schaden. Aber diese Befürchtungen sollten jetzt eigentlich als Argument ausgedient haben.
Dass Kniegelenke generell von regelmässigem Sport profitieren, ist schon länger bekannt. Er stärkt die Muskulatur, was zu einer Entlastung des Knochenapparats führt. Ausserdem sorgt er mit seinen Bewegungsreizen für Pumpkräfte in den Gelenken, sodass dort mehr Nährstoffe in das Knorpelgewebe gelangen können. Lange Zeit dachte mach jedoch, dass dieser Effekt unter stoss- und ruckartigen Bewegungen aufgehoben wird. Denn dabei kommt es zu mikroskopischen Verletzungen, die zu einem Entzündungsgeschehen führen, das den Knorpel angreift. Aber 2015 überraschten finnische Forscher mit der Entdeckung, dass selbst ein intensives Jump- und Step-Programm zur Gelenkgesundheit beiträgt.
Das Team um Jarmo Koli von der Universität Jyväskylä liess achtzig Probandinnen – alle mit beginnender Gonarthrose – ein Jahr lang dreimal wöchentlich zu einem ausgefeilten Aerobic-Training antreten. Jede Einheit bestand aus drei Phasen: einem 15-minütigem Warm-up, 25 Minuten Aerobic-Workout mit Jump- und Step-Übungen und 15 Minuten Entspannungsphase. Die Belastung wurde von Monat zu Monat gesteigert, bis die Frauen am Ende zwanzig Zentimeter hohe Schaumstoffhürden übersprangen. Aber die Kniegelenke nahmen ihnen dies keinesfalls übel. Im Gegenteil. Ihre Beweglichkeit hatte sich nach dem einen Jahr deutlich verbessert, und die Faserstruktur in ihrem Knorpel war dichter und stabiler geworden. Die Frauen hatten zwar nicht weniger Schmerzen als vor der Studie – aber eben auch nicht mehr, wie das ja sonst im Verlauf einer Arthrose üblich ist.
Beginnende Arthrose sollte also nicht als Warnung vor Sport, sondern eher als Aufforderung zu ihm verstanden werden. Selbst dann, wenn er mit kräftigen Stossbelastungen verbunden ist. Tabu bleiben nur Sportdisziplinen mit heftigen Körperkontakten und unkalkulierbaren Richtungswechseln, weil sie das Verletzungsrisiko in den Knien erhöhen. So haben Fussballer ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Arthrose im Knie, bei professionellen Kickern führt keine andere Krankheit und Verletzung so oft zum Karriereende.
Und das gilt nicht nur für den Herrenfussball. Anfang des Jahres verkündete die deutsche Olympiasiegerin und 47-fache Nationalspielerin Tabea Kemme das Ende ihrer Laufbahn. Grund war ein Knorpelschaden im Kniegelenk, der es der gerade mal 28-Jährigen sogar unmöglich machte, ihrem gelernten Beruf als Polizistin nachzugehen.