Die Voraussetzungen für die Gletscher schienen vielversprechend: Doch statt Schnee fiel im Sommer viel Regen über den Gletschern. Damit die Gletscher in Zukunft wieder wachsen können, müsste sich der verregnete Sommer nächstes Jahr wiederholen, allerdings mit kälteren Temperaturen.
«Leider ist in Zeiten des Klimawandels selbst ein ‹gutes› Jahr nicht gut genug für die Gletscher», schreibt die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz in ihrer aktuellen Mitteilung. Die Gletscher schmolzen auch dieses Jahr wieder um ein Prozent. Das ist zwar der geringste Rückgang seit 2013, dennoch sieht die Akademie keine Entspannung für das Gletscherschmelzen.
Das Schweizer Gletschermessnetz GLAMOS konnte in den vergangenen 12 Monaten nämlich keinerlei Wachstum der Eismassen verzeichnen, doch die Verluste waren im Jahresvergleich geringer. Im südlichen Wallis und im Tessin etwa befanden sich die Werte im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Auch in höheren Lagen im nördlichen Wallis sei der Verlust «moderat» gewesen, wie die Akademie schreibt.
Das Wetter entwickelte sich zunächst vielversprechend. Auf dem Claridenfirn in Glarus etwa wurde im Mai mit 7 Metern Schnee der höchste Wert seit Beginn der Beobachtungen im Jahr 1914 gemessen. So seien viele Gletscher bis in den verregneten Juli relativ gut durch den Winterschnee geschützt geblieben. Und dank der tiefen Temperaturen im Frühling sei die Schneedecke rund ein bis zwei Wochen länger liegen geblieben.
Doch im Sommer fiel wegen der milderen Temperaturen mehr Regen als Neuschnee auf die Gletscher. «Der Einfluss des Klimawandels zeigt sich klar in den Sommer-Neuschneesummen, die trotz viel Niederschlag erstaunlich klein sind», schreibt die Akademie. Auf dem Weissfluhjoch in Graubünden beispielsweise sei gerade einmal 20 Zentimeter Neuschnee gefallen, obwohl die Sommermonate zu den nässesten in den vergangenen 100 Jahren gehören. Zum Vergleich: Im ebenfalls ziemlich verregneten Sommer im Jahr 1987 seien es 155 Zentimeter gewesen.
«Auf Kurs für die Gletscher wären wir mit einem gleich schneereichen Winter wie dieses Jahr, aber einem 1 bis 2 Grad kühleren Sommer», schreibt Matthias Huss, Leiter von GLAMOS, auf Nachfrage. Tatsächlich sei der vergangene Sommer trotz dem trüben Wetter fast 2 Grad zu warm gewesen im Vergleich zu den Klimanormjahren 1960 bis 1990. Das schlimmste Jahr aber sei 2003 gewesen, als im Hitzesommer 4 Prozent der Eismassen verloren gingen.
Gewachsen sind die Gletscher zuletzt im Jahr 2001, aber auch damals nur minimal. Substanzielle Zunahmen würden weit zurückliegen, so Huss. Gegen Ende der 1970er-Jahren konnten die Gletscher über einen Zeitraum von 10 Jahren letztmals merklich an Volumen zulegen.
(gue)