Der Zürcher Biologe Erich Ritter kannte Haie wie kaum jemand sonst. Mit teils draufgängerischen Methoden kämpfte er darum, das Image dieser Tiere aufzupolieren. Und machte dabei auch selber mit ihren Zähnen Bekanntschaft. Am Freitag ist er in Florida an einem Herzleiden gestorben.
«Hunde beissen meistens härter als Haie», pflegte Erich Ritter dem Publikum in seinen Vorträgen zu sagen. Der am Freitag verstorbene Hai-Experte aus Zollikon sprach aus Erfahrung. Hundebisse kannte er aus seiner Jugend, als er Blumen aus der Gärtnerei der Eltern austrug. Haibisse aus seinem Erwachsenenleben als Forscher.
Kopf, Waden, Hände, Rücken: Kaum ein Körperteil, an welchem er nicht schon Haizähne zu spüren bekommen hatte. Doch waren es Bisse? Er bezeichnete es in Analogie zu den Hunden als Schnappen. Ernsthaft gebissen wurde er ein einziges Mal, bei Dreharbeiten zu einer TV-Doku von einem Bullenhai in die Wade, nur knapp überlebte er damals. Gestorben ist er nun mit 61 Jahren in seinem Haus in Florida an einem Herzleiden.
Den grössten Teil seines Lebens verbrachte Erich Ritter in Gegenden, wo Haie vorkommen. Zurück in die Schweiz kam er regelmässig, um in Vorträgen seine Botschaft zu verbreiten: Haie sind besser als ihr Ruf. Leicht hinkend – ein Überbleibsel des Bullenhai-Unfalls – betrat er jeweils die Bühne und sprudelte in Zürichdeutsch los, beschrieb den einen Hai als süss und den anderen als frustriert, und wenn das Wort «dumm» fiel, dann bezog es sich immer auf Menschen.
Den Doktortitel in Biologie hatte Erich Ritter einst an der Universität Zürich mit einer Arbeit über Egli erlangt, doch schon damals interessierten ihn Haie. Deren Verhalten schien ihm nicht mit dem Image des blutrünstigen Menschenfressers übereinzustimmen. Also trat er den Beweis an: Er lockte Haie mit Futter an und ging zu ihnen ins Wasser.
Daneben analysierte er die weltweit gemeldeten Unfälle mit Haien. Das Wort «Angriff» vermied er, da es den Haien seiner Einschätzung nach meist um ein neugieriges Erkunden eines Objekts mit dem Mund ging. Würden gewisse Haiarten dagegen den Menschen tatsächlich als Beute betrachten, gäbe es viel mehr Todesfälle, argumentierte er. 2019 starben weltweit fünf Personen durch Haie. Ertrunken sind Hunderttausende.
Seine Forschungsergebnisse publizierte Ritter meist gemeinsam mit einem Statistiker der Universität West Florida. Mit seiner «Shark School» brachte er aber auch ganz praktisch Taucherinnen und Tauchern bei, wie sie sich gefahrlos Haien im Meer nähern können. Diese Kurse führte er in verschiedenen Kontinenten durch, von den Malediven übers Rote Meer bis nach Südafrika. Besonders viel Zeit verbrachte er auf den Bahamas, die nicht allzu weit von seinem Wohnort in Florida entfernt lagen, aber weniger strenge Haftpflicht-Vorschriften haben: Dort konnte er zu Forschungszwecken auch Studierende mit Haien schwimmen lassen.
Auf den Bahamas war es auch, wo Erich Ritter 2002 nach dem Wadenbiss durch einen Bullenhai beinahe verblutete. Wenn er darüber sprach, schien noch Jahre später ein kleiner Groll durchzuschimmern. Nicht gegen den Hai. Sondern gegen den Mitarbeiter, der ihn vor dem nahenden Hai hätte warnen sollen. Ritter sagte manchmal:
Unter Haien fühle ich mich viel besser als unter Menschen.
Seine Mission war denn auch nicht in erster Linie, Menschen vor Haien zu schützen. Vielmehr wollte er das Image der Haie aufpolieren, um sie vor den Menschen zu schützen.