Um die arbeitsintensive Götterfrucht den Winter hindurch zu nutzen, müssen wir sie trocknen und richtig lagern. Beim Knacken hilft manchmal nur der Hammer. Ein Erfahrungsbericht.
Man muss nicht alles mögen, worüber man schreibt. Zum Beispiel Nüsse. Vor Jahrzehnten zog ich vom Vierwaldstättersee ins Rheintal und fand vor dem Haus einen ungenutzten Nussbaumhain. Damit wurde ich zur Nuss-Betty. Denn ich kann weder Lebensmittel noch naheliegende Themen verkommen lassen. Den scheusslichen Spitznamen hatte ich mir mit einem Nusskoch-buch eingehandelt. Nicht, dass ich Nüsse besonders mögen würde, nein, ich schrieb aus Verzweiflung. Weil es damals kein Nussbuch gab und ich nicht wusste, wohin mit den Nussbergen. Als ich später nach St. Gallen zog, stand in meinem neuen Garten: ein riesiger, alter Nussbaum. Da steht er noch. Und weil ein gutes Weinjahr ein gutes Nussjahr und dieses Jahr ein besonders gutes Weinjahr ist, weiss ich wieder nicht, wohin damit und schreibe mir die Last erneut von der Seele. Denn mit Auflesen, Ausschälen und Säubern ist es nicht getan.
Täglich sammle ich sie seit zwei Wochen mit Handschuhen auf, und trotzdem werden die Finger schwarz. Kaputte und nicht vollständig aus der grünen Schale gelöste Exemplare lege ich beiseite. Sie werden als Erstes aufgeschlagen, mit dem Hammer, denn mit dem Nussknacker kommt man hier nicht weit. Wer mag, entfernt die Häutchen und legt das weisse Innere frei. Mit heissem Wasser übergossen, lösen sich diese leichter. Die frischen Nüsse schmecken köstlich auf Butter-brot mit Salz oder in wenig Zucker und Butter in der Pfanne karamellisiert. Mit Salz und Cayennepfeffer gewürzt, ergeben sie eine knackige, pikante Zugabe zu Salat, Gemüse, und Käse, ungewürzt krönen sie Müesli, Fruchtsalat und Desserts. Übrige Kerne friere ich in Beuteln ein. Später backen sich damit Walnut-Muffins oder Nusskuchen fast von allein.
An sonnigen und trockenen Tagen herabgefallene Nüsse breite ich zum Trocknen auf Holzgestellen mit Drahtgitter aus. Nach ein paar Tagen lassen sich die Fasern mühelos abreiben. Wenn nicht jede Nuss richtig getrocknet und gelagert wird, ist die ganze Mühe umsonst und wird die Ernte grau. Die Alternative: Knacken, ausschälen, einfrieren. Nur empfehlenswert, wenn man Küchensklaven zur Verfügung hat.
Bevor wir weiter lamentieren, wenden wir uns ihren schönen Seiten und Namen zu. Die Franzosen nennen sie schlicht «la noix», die Italiener «noce», wie den Baum. Die englische «walnut» und deutsche Walnuss leiten sich vom althochdeutschen «walah», gross, und lateinisch «nux» für Nuss ab. Für die Römer war sie Götterspeise, dem höchsten Gott, Jupiter, geweiht. «Jovis glans», Jupiters Eichel, zogen Botaniker zu Juglans zusammen und hängten das Adjektiv königlich an: Juglans regia lautet die offizielle botanische Bezeichnung des Walnussbaums.
Mit der Eiche verwandt ist Juglans regia allerdings nicht. Im Gegenteil, die beiden sind sich nicht grün und schätzen die Nähe des anderen nicht. Überhaupt meiden die meisten Gewächse den Nussbaum, da er mit seinen gerbstoffhaltigen Blättern und Schalen selbst dem bescheidensten Grashalm das Leben schwer macht und nicht einmal Stechmücken und Schmeissfliegen neben sich duldet. Den Bauern freut’s, dass sein Geruch diese vertreibt, und pflanzt ihn deshalb neben Stall und Misthaufen.
Früher galten Baumnüsse als wertvolles Heil-, Haus- und Nahrungsmittel. Schon die unreifen, grünen Nüsse wurden eingelegt (schwarze Johanninüsse, eine Delikatesse zu Käse und Pasteten). Mit den Blättern kochte man Tee, räucherte Krankenzimmer aus oder verwendete sie, getrocknet und gemahlen wie Pfeffer.
Auch im Volksglauben sind Walnüsse verankert: Sie brachten der Braut Glück, wenn man sie am Vorabend der Hochzeit vor ihre Tür poltern liess (Polterabend), und Kindersegen, wenn sie reichlich davon ass. Wenn dem Paar im Lauf der Zeit die Lust verging, schickte man es zwar in die Haseln, kam aber ein Stammhalter zur Welt, wurde ein Walnussbaum gepflanzt. Der bot, wie die Haseln, Schutz vor Blitzschlag.
Sass man aber zu lange unterm Nussbaum oder schlief gar ein, kam man in Bälde zu Tode. Deshalb gab man dem Faulpelz lieber eins auf die Nuss.
Dass Baumnüsse Hirnnahrung, neudeutsch Brainfood, und Energiespender sind, war schon im Mittelalter bekannt. Heilkundige leiteten dies von ihrem Aussehen her, das ans Gehirn erinnert. Obwohl der Schluss nicht taugt, trifft er ins Schwarze. Und so kann man sich damit trösten, dass ein Nocino, Vin de noix oder Ratafià geistige Nahrung im doppelten Sinn sein können.
Heute haben Baumnüsse an Bedeutung verloren. Man bringt sie kaum an den Mann, ausser sie stehen genussbereit zum Picken auf dem Tisch. In meiner Küche kommen sie zur Zeit täglich zum Zug: Datteln werden mit Marzipan und Baumnusshälften gefüllt, getrocknete Pflaumen, mit Leberwurst und Nüssen gefüllt und kurz gebacken, Rosen-, Blumenkohl, Brokkoli, Chicorée und Radicchio mit gebratenen Nussbröseln bestreut, Lauch-, Krautstiel- und Sauerkrautquiches mit Nusshälften gebacken.
Wenn wir sie nach Weihnachten längst satthaben, freuen sich die Vögel. Im Winter gehe ich mit Hammer und Brett nach draussen und schlage sie auf. Amsel, Elster, Krähe, Meise, Fink und Star picken sich die Nussstückchen selber aus den Schalen, dafür kehre ich nach dem Festmahl den Saustall auf. Eicheln für die Rehe habe ich auch…
Buchtipp: Karin Greiner, Bäume in Küche und Heilkunde, 180 Rezepte von herzhaft bis süss, 80 Rezepturen für Wohlbefinden und Hausapotheke, 264 S., AT-Verlag, Fr. 34.90.