Warum liegt die Stärke aller Kandidaten in der Sendung «Bachelorette» mehr im Körper als im Kopf?
Testosteron. Viel Testosteron. Muskeln. Viele Muskeln. Stumpfe Sprüche. Ja, auch viele davon. Das alles – und nicht viel mehr – vereint in der Sendung «Bachelorette» des Privatsenders 3+, die am Montag zum dritten Mal ausgestrahlt worden ist. Zur Erinnerung, oder auch zur Aufklärung für die, die sich der Mucki-Show verweigern: 16 Kandidaten buhlen und balzen um Single-Frau Frieda Hodel (33), die die Liebe ihres Lebens sucht. Jede Woche fallen Männer aus dem Rennen. Nun sind es noch zehn Kämpfer.
Die Kandidaten sehen auffallend gleich aus. Zu sagen, sie seien sehr sportlich, würde ihren mit Muckis vollgespickten Körpern nicht gerecht. Sie sind nicht dünn. Nicht dick. Nicht Durchschnitt. Sie sind übertrainiert. Sie sind Vize-Schweizer-Meister im Natural Bodybuilding (ohne Doping) und Schweizer Thaibox-Meister und werden sogar auf der Sender-Website fast einschlägig mit äusserlichen Attributen wie: «Muskelprotz», «Sportfreak» oder «durchtrainierter Halbspanier» beschrieben. Was daran falsch ist? Na ja, es scheint so, als ob viel mehr Zeit für die Fitness- als für die Schulbank drauf ging. Ganz nach dem Motto: Was unten zu viel, ist oben zu wenig. Talent ist bei den meisten Kandidaten auf den gezielten Muskelaufbau beschränkt.
Beschränkt ist dann leider noch mehr. Spätestens hier muss gesagt werden, dass die Bachelorette auch auf ihre Fitness achtet und auf menschliche Männer-Maschinen steht. Ist sie doch selber Fitness- und Lifestyle-Coach und startet beim ersten Aufeinandertreffen Dialoge wie: «Oh mein Gott, du hast aber starke Arme!» Er: «Ja, ich bin Bodybuilder.» Sie: «Wow. Darf ich nochmals anfassen?» Spargeltarzane und Männer mit ein paar Gramm Fett zu viel – ergo die mit der normalen, durchschnittlichen helvetischen Figur – hat sie längst von der thailändischen Insel verbannt.
Die Männer – Personaltrainer, Flughafenangestellte, Models, Berater für Astro- und Sex-Hotlines – haben grösste Mühe, einen grammatikalisch korrekten Satz zu formulieren. Aussagen wie «Üseri Interessa sind synchron» sind keine Ausnahmen, sondern die Regel. Und weil sich 3+ der körperlichen Vorzüge bewusst ist, lässt der Sender keine Chance aus, die Muske(l)tiere oben ohne, schwitzend und schuftend zu zeigen. So duellieren sich die Männer stets sportlich – bei Wettschwimmen, Wettliegestützen (mit Bachelorette auf dem Rücken!) und Wettboxen.
Lebt eine solche Sendung nicht von der Diversität ihrer Kandidaten? «Die Zusammenstellung ist kompliziert», sagt Senderchef Dominik Kaiser auf Anfrage. «Es gilt Dialekte, Charaktere, Hintergrundgeschichten und Aussehen so zu mischen, dass es zu spannenden Geschichten kommt und sich die ganze Deutschschweiz vertreten fühlt.»
Die ganze Deutschschweiz? Zu Recht regen sich Männer auf: «Ich habe keinen einzigen Kollegen, der so aussieht.» Und Frauen fragen sich, unabhängig davon, ob ihnen dieser Körperkult gefällt oder nicht: «Wo sind diese Männer? Ich habe keinen im Freundeskreis, geschweige denn in meinem Bett.»
Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich 80 Prozent der 13- bis 15-jährigen Buben mehr Muskeln wünschen. In einer Zeit, in der junge Männer vermehrt unzufrieden sind mit ihrer Figur und sich ihr Leben nur noch um einen Null-Fett-Körper dreht. So beschrieb unlängst die «Schweiz am Sonntag» diesen beängstigenden Körperkult. Wenn fit sein in einen extremen Körperfaschismus ausartet und auf Kosten von Humor und Denkvermögen zelebriert wird, dann ist fit nicht erstrebenswert. Es ist auch kaum vorstellbar, dass die heutigen Frauen übertrieben eitle Männer möchten, die sich vor allem mit den Öffnungszeiten des Fitnessstudios und Ernährungsplänen beschäftigen.
Und doch: Die Sendung hat Erfolg. Sie hat sogar Top-Quoten. So schreibt dann auch der Sender in einer Mitteilung, dass die zweite Folge mehr als doppelt so viele 15- bis 49-jährige Zuschauer hatte wie SRF1 zur selben Zeit (bei den 15- bis 34-Jährigen einen Marktanteil von 34,3 Prozent, in der werberelevanten Zielgruppe der 15- bis 49-Jährigen 20,2 Prozent). Das sei der beste «Primetime-Abend» in der Geschichte von 3+.
Aber wer guckt denn überhaupt? Zyniker. Sie lachen, schämen sich fremd und fühlen sich überlegen (Okay, körperlich nicht). Wenn Frieda sagt: «Die nächschti Beziehig, wo ich wird igah, wird de Ma für mim Läbe» oder wenn Kandidat Michel von seinem Herzfehler erzählt und die Bachelorette danach in die Kamera sülzt, dass er ganz tief in sich wirklich ein grosses Herz habe, ist das auch wirklich ganz grosses Fremdschäm-Kino.