Pandemie
«Das führt nur zu einer falschen Sicherheit und Enttäuschung»: Warum die Schweiz keine Corona-Massentests macht

Das Südtirol testete am Wochenende seine Bevölkerung durch. In der Slowakei wird es getan, Österreich hat Massentests vor und China macht solche längst. Warum nicht die organisationstalentierten Schweizer?

Sabine Kuster
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Corona-Massentest in einer Turnhalle in Bolzano, Südtirol, am Freitag, 20. November.

Corona-Massentest in einer Turnhalle in Bolzano, Südtirol, am Freitag, 20. November.

Antonio Calanni, Keystone

In Massen strömten die Südtiroler am Wochenende in die speziell aufgestellten Testcenter: über 250'000 wurden getestet. So sollen Ansteckungs-Cluster aufgedeckt werden und die Pandemie gestoppt werden. Die Slowakei hat dies bereits getan und will Anfang Dezember noch mal Massentests verordnen. Österreich will sein rund 9 Millionen-grosses Land bis Weihnachten testen lassen. Freiwillig.

Dabei geht es nicht nur um möglichst sichere Weihnachten sondern wie in Südtirol auch um eine Notbremsung der Ansteckungszahlen, damit möglichst viele Wintersportgäste kommen.

In der Schweizer Covid-Taskforce ist man aber nicht Feuer und Flamme für die Idee. Der Basler Epidemiologe Marcel Tanner sagte gegenüber TeleBasel am Sonntagabend, solche Massentests seien problematisch, wenn sie nicht konsequent durchgeführt würden: «Wenn Sie heute die Bevölkerung testen, dann erfassen Sie Leute ohne Symptome oder in der Inkubationszeit nicht, da diese Personen noch nicht infektiös sind», so Tanner. Man müsste den Massentest also wiederholen.

Tanner findet Massentests nur in Inselstaaten sinnvoll

In der Slowakei seien im ersten Testdurchlauf nur rund 50 Prozent erfasst worden. «Das bedeutet, dass die Übertragung weiterhin stattfindet. Das führt nur zu einer falschen Sicherheit und zu Enttäuschung», so Tanner.

Der Epidemiologe findet Massentests in einem Land mit so vielen Nachbarstaaten wie der Schweiz nicht sinnvoll. «Ein Massentest in einem Inselstaat wie Neuseeland ist etwas ganz anderes als bei uns, sei es nun Österreich oder die Schweiz.»

Durchtesten von Chören und Sportclubs funktioniert

Sinnvoll finde er jedoch das Durchtesten von einzelnen Gruppen wie einem Kirchenchor oder einem Sportklub vor einer Aufführung oder einem Spiel. Das habe man bereits gemacht, so Tanner gegenüber Tele Basel. «Dabei handelt es sich aber um Ausbruchskontrollen, mit denen man feststellen soll, wie weit sich das Virus bereits verbreitet hat.»

Dennoch überrascht es, dass Massentests in der Schweiz, die sich gerne rühmt gut organisiert zu sein, noch kein Thema waren. Die Logistik dazu könnte das Land laut Tanner auf die Beine stellen. Der beste Weg, die Pandemie vor Weihnachten einzudämmen findet er allerdings nach wie vor, die momentan geltenden Massnahmen einzuhalten. Das sei besser als jetzt noch «eine derartige Riesenoperation» durchzuführen.

China macht solche Riesenoperationen seit Beginn der Pandemie: Wo immer es wieder zu Ansteckungen kommt, und sei es nur eine handvoll, wird eine Stadt abgeriegelt und durchgetestet. Das gelingt den Chinesen auch in Millionen-Städten, mit sogenanntem Pooling. Mehrere Tests werden zusammengenommen und als einer untersucht: Ist dieser negativ, gilt das für alle zehn bis zwanzig Proben. Ist er positiv, wird noch einmal einzeln getestet. Das macht aber nur Sinn, wenn es im Land nur noch vereinzelte Fälle gibt. Anders als in Europa, geschieht das Massentesten in China nicht freiwillig.