Epidemie
Corona-Virus: Das grösste Problem ist Afrika

Wird das neue Virus in Afrika eingeschleppt, ist das gefährlicher als anderswo, denn auf diesem Kontinent sind die Gesundheitssysteme am schlechtesten gewappnet. Das Risiko ist hoch, denn China ist dort extrem aktiv.

Felix Lee
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Das Corona-Virus

Das Corona-Virus

Aprott / iStockphoto

Noch verzeichnet offiziell kein afrikanisches Land einen Corona-Infizierten. Doch seitdem Berichte von ersten Verdachtsfällen die Runde machen, wächst auch auf dem zweitgrössten Kontinent der Welt die Nervosität vor dem neuen Virus aus China.

Die ersten Verdachtsfälle vermeldete Mitte der vergangenen Woche Äthiopien. Behörden in der Hauptstadt Addis Abeba liessen am Mittwoch vier Studierende unter Quarantäne stellen. Zwei von ihnen waren zuvor mit grippeähnlichen Symptomen aus der chinesischen Millionenmetropole Wuhan eingereist, dem Ort in China mit den bislang meisten Todesopfern. Auch das Gesundheitsministerium der Elfenbeinküste meldete einen ersten Verdachtsfall: Eine aus China zurückgekehrte Studentin könnte mit dem Virus infiziert sein, heisst es dort.

«Wir brauchen nicht so tun, als wären wir der glückliche Kontinent, der verschont bleibt, während aus aller Welt bestätigte Fälle gemeldet werden», sagte John Nkengasongo von der Seuchenschutzbehörde der Afrikanischen Union in Adis Abeba. Für ihn sei es «nur eine Frage der Zeit», bis eine Infektion in Afrika offiziell bestätigt wird.

Frühwarnsysteme gibt es in Afrika nicht überall

Seine Angst ist berechtigt. Anders als in westlichen Ländern, die über ein funktionierendes Gesundheitssystem verfügen, ist das in den meisten afrikanischen Ländern nicht der Fall. 2014 kursierte in Westafrika der Ebola-Virus und forderte mehr als 10'000 Todesopfer. Doch nur in den besonders betroffenen Ländern hat es seitdem Bemühungen gegeben, Frühwarnsysteme zu entwickeln.

Als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) letzten Donnerstag den internationalen Gesundheitsnotstand ausrief, war ihre grösste Sorge auch nicht, dass China das Problem nicht in den Griff bekommen würde, sondern dass sich das Virus auf Länder mit weniger gut ausgestatteten Gesundheitssystemen ausbreiten könnte. Und damit meint WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus explizit die Länder Afrikas.

Die meisten afrikanischen Staaten pflegen inzwischen ein sehr enges Verhältnis mit China. Seit 2009 ist China Afrikas grösster Handelspartner. Mit einem Handelsvolumen von zuletzt 170 Milliarden Dollar hat China sowohl die USA als auch die EU überholt. Strassen, Schienen, Stromleitungen, Flughäfen, Kraftwerke, Regierungsgebäude, ja ganze Städte werden mit chinesischen Geldern errichtet – allerdings auch von chinesischen Arbeitern. Es wird geschätzt, dass auf dem gesamten Kontinent knapp eine halbe Million Menschen aus der Volksrepublik in Afrika arbeiten.

Zum chinesischen Neujahrsfest sind viele von ihnen in ihre Heimat geflogen. Nun ist die Befürchtung gross, diese Arbeiter könnten bei ihrer Rückkehr den Virus mitschleppen. Äthiopien, Nigeria und Südafrika erwägen bereits einen Einreisestopp. Das würde allerdings auch viele Afrikaner betreffen. Allein in der Krisenstadt Wuhan studieren über 5000 Afrikaner. Anders als etwa die Deutschen, die am Samstag mit einer Bundeswehrmaschine ausgeflogen wurden, haben südafrikanische Studierende von ihrer Botschaft in Peking die Anweisung erhalten, auf keinen Fall Wuhan zu verlassen. Evakuierungspläne gibt es von südafrikanischer Seite keine.

Seuchenschützer John Nkengasongo indes bemüht sich gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation und chinesischen Regierungsexperten, alle Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union mit den passenden Diagnose-Sets auszustatten. Denn noch kann das Virus in vielen afrikanischen Ländern nicht einmal zweifelsfrei diagnostiziert werden.