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Bei minus 15 Grad auf dem Campingplatz übernachten? Das kann ganz gemütlich sein und ist auch ohne eigenes Wohnmobil möglich.
Bloss nicht aufs Klo diese Nacht! Hinter den roten Vorhängen des Schlaf-fasses ist es stockdunkel – und eiszapfenkalt. Das Thermometer zeigt minus 15 Grad an. Definitiv keine Temperatur, um im Pyjama zur Toilette zu schlurfen. Nur im Innern des Schlaffasses – eine Art Bungalow – ist es heimelig warm.
Spät abends ist es auf dem Campingplatz Morteratsch in Pontresina mucksmäuschenstill. Der Schnee schluckt die wenigen Geräusche. Die Wege sind verlassen, nur aus einigen Fenstern der Wohnwagen dringt gedämpftes Licht. Unter deren langjährigen Besitzern gibt es schon länger welche, die sich von Frost und Kälte nicht abschrecken lassen und mit ihren Fahrzeugen verschneite Plätze ansteuern.
Das Wintercamping steckt noch in den Kinderschuhen.
(Quelle: Oliver Grützner, TCS)
Im Vergleich zum Hochbetrieb im Sommer herrscht im Winter beschauliche Ruhe. Das sei auch auf anderen Plätzen der Fall, sagt Oliver Grützner, Leiter Tourismus und Freizeit beim Touring Club Schweiz (TCS): «Das Wintercamping steckt noch in den Kinderschuhen».
Der TCS betreibt 23 Campingplätze, nur fünf sind auch in den kalten Monaten geöffnet. Die Wintermonate seien momentan zwar ein Nischengeschäft, verfügten jedoch über grosses Potenzial, sagt Grützner. «Und wir stellen ein wachsendes Bedürfnis danach fest.» Deshalb habe der TCS in dieser Saison einen Testlauf mit Winterpackages in Scuol lanciert.
Ganz in der Nähe, in Pontresina, liegt der Campingplatz Morteratsch. Auf 1860 Meter über Meer. Und er ist nach Angaben der Betreiber der höchstgelegene Wintercampingplatz Europas. Hier lässt es sich auch ohne eigenes Wohnmobil übernachten. Glamping hat längst die kalte Jahreszeit erreicht. Jener Trend, bei dem gilt: hinaus in die Natur, aber bitte mit etwas Komfort oder gar Luxus.
In Pontresina bedeutet Glamping primär campen ohne eigenes Fahrzeug. Dafür gibt es auf dem Campingplatz Morteratsch Wohnwagen, Holzhäuschen oder Schlaffässer. Peter Käch, Betreiber des Platzes, dreht den Schlüssel zu einem Miet-Wohnwagen auf. «Meldet man sich sieben Stunden vor seiner Ankunft an, kommt man in einer geheizten Stube an», sagt er. Wer sich nach den 80er-Jahren sehnt – oder ihnen bereits als kultig huldigt –, wird hier glücklich; am Stil der Innenausrichtung des Wohnwagens wurde kaum etwas verändert.
Doch das Campingfeeling kommt spätestens, wenn man duschen will oder aufs Klo muss.
(Quelle: )
Keine Zeitreise, dafür viel Gemütlichkeit gibt es in den Holzhäuschen und Schlaffässern. Letztere bieten zwei Erwachsenen Platz; in den Holzhäuschen können bis zu vier Personen übernachten und auch kochen. Die Infrastruktur inklusive Salatschüssel erinnert an eine Ferienwohnung. Doch das Campingfeeling kommt spätestens, wenn man duschen will oder aufs Klo muss. Dann heisst es, die dicke Winterjacke überziehen und aus dem Kokon schlüpfen. Der Augenblick, in dem man sich in ein Hotel wünscht.
Doch es gibt auch die anderen Momente. Etwa am Morgen, wenn man noch schlaftrunken die Vorhänge zurückschiebt und zwischen den Baumwipfeln ein Stück stahlblauen Himmel erblickt. Ohne sich durch einen Frühstücks- oder durch einen müffelnden Schuhraum zu quetschen, schleicht man aus Wohnwagen, Holzhaus oder Schlaffass – und spaziert los. Der Neuschnee liegt unberührt auf allen Wegen; nur einzelne Spuren von Fuchspfoten und Rehhufen haben in den frühen Stunden bereits ein Muster auf sein flockiges Gewand gezeichnet.
Man hat alles dabei, ist unabhängig und entscheidet spontan, welchen Ort man als nächsten ansteuert.
(Quelle: Thomas Jenzer, Co-Geschäftsleiter Citypeak)
Ein Bächlein murmelt, sonst scheint die Welt zwischen den Schneeriesen des Berninagebietes still und stumm. Blinzelt hinter den Gipfeln die Sonne hervor und lässt ihr Licht die Hänge hinuntergleiten, ist das ein Schauspiel, das sogar Morgenmuffel verzaubert. Die Backen, die sich eben noch ins Kopfkissen geschmiegt haben, brennen von der Kälte. Dieser unmittelbare Wechsel macht den Reiz des Wintercampings aus. Grad noch unter der warmen Decke, steht man Minuten später weitab von Trubel und Halligalli mitten in der Natur.
Dorthin zieht es auch Thomas Jenzer. Er ist Co-Geschäftsleiter von Citypeak, einem Unternehmen, das umfassend ausgestattete Camper vermietet. Es sind keine riesigen Wohnmobile, sondern moderne VW-Busse mit einem ausgeklügelten Innenkonzept. Die Sitze lassen sich zu einem Bett ausklappen; zwei weitere Schlafplätze gibt es im Aufstelldach. Mit einem portablen WC, einer Standheizung und einer kleinen Küche inklusive Wassertank und Kühlschrank, stellen die Fahrzeuge die mobile Form des Glampings dar. «Man hat alles dabei, ist unabhängig und entscheidet spontan, welchen Ort man als nächsten ansteuert», schwärmt Jenzer.
Er steht vor seinem Bus auf dem Camping Morteratsch, auf dem an diesem Morgen die ersten Langlaufski aus den Wohnwagen getragen werden. Wer hier mit besonders viel Energie aufsteht, kann noch vor dem Frühstück eine erste Runde auf der Loipe drehen. Sie führt direkt über den Campingplatz. Frisches Brot fürs Zmorge gibt es im Camping-Lädeli. Dort serviert das Ehepaar Käch Kaffee und Tee. Was auf den Teller kommt, holen sich die Gäste selbst aus den Verkaufsregalen.
Kächs führen den Campingplatz in Pontresina seit sechs Jahren. Es sind entspannte und unkomplizierte Gastgeber, die ihre Besucher in breitestem Berndeutsch begrüssen. Seit sechs Jahren leben sie mit ihren Kindern im Engadin.
Es war das Paragliding, die Leidenschaft von Peter Käch, die sie in die Bergwelt führte: Wann immer er Zeit hat, zurrt er den Gleitschirm fest und beobachtet das Treiben aus der Vogelperspektive. Inzwischen hat Peter Käch zwei Standbeine, den Campingplatz Morteratsch und «Paragliding Engadin», das Passagierflüge für Touristen anbietet. Auch im Winter. Wer sich warm einpackt, kann das Wintercamping aus einer ganz neuen Perspektiven betrachten. Von weit, weit oben.
Der Aufenthalt wurde von Pontresina Tourismus unterstützt.
Wer im Winter mit seinem eigenen Wohnwagen unterwegs ist, dem empfiehlt der Touring Club Schweiz (TCS), einige Punkte zu beachten:.
Um für die Minustemperaturen gerüstet zu sein, braucht es eine funktionierende Heizung. Bevor man aufbricht, sollte sie getestet werden.
Damit die Wärme nicht verpufft, sollte vor der Abfahrt auch die Isolierung des Wohnwagens geprüft werden. Auf dem Platz hilft zudem ein Vorzelt – und bei Wohnmobilen ein Thermovorhang zwischen Fahrer- und Wohnbereich.
Durch das Heizen schwindet der Gasvorrat im Winter deutlich schneller als in den wärmeren Monaten. Es gilt daher im Vorfeld abzuklären, ob der anzusteuernde Campingplatz eine Gasversorgung anbietet. Der TCS empfiehlt, Zweiflaschenanlagen mit einem sogenannten Duomatic. Er schaltet automatisch auf die zweite, volle Gasflasche um, wenn die erste leer ist.
Damit die Fenster nicht beschlagen, sollte vermieden werden, nasse oder feuchte Kleidung sowie Handtücher im Wohnwagen aufzuhängen. Dafür stehen auf den meisten Wintercampingplätzen eigens Trocknungsräume zur Verfügung.
Zweimal pro Tag sollte der Wohnwagen kurz durchgelüftet werden. Wenige Minuten reichen, danach Fenster und Tür wieder gut verschliessen.
So lange der Wohnwagen beheizt ist, gibt es in der Regel kaum Probleme mit dem Wasser. Wer aber den Wohnwagen für einige Tage nicht nutzt und die Heizung abstellt, sollte das Wasser ablassen, sonst können die Leitungen einfrieren.
Wer ein Fahrzeug mit einem Dieseltank besitzt, füllt den Tank im Unterland besser nicht komplett auf. Sonst streikt womöglich nach der ersten eisigen Nacht der Motor. Bei den Tankstellen in den Bergregionen gibt es Alpindiesel. Er hält Temperaturen bis minus 30 Grad Celsius stand.
Einige Utensilien sind fürs Wintercamping unerlässlich. Dazu gehören Schneeketten, Eiskratzer, Türschlossenteiser und ein Besen.
Wer unsicher ist, ob er bei Schnee und Eis mit seinem Fahrzeug klarkommt, kann im Vorfeld ein Winterfahrtraining absolvieren. (ABA)