Die deutsche Bachelorette ist vor allem eines: Korrekt und zurückhaltend. Was vielversprechend anfing, verliert vor dem Finale an Glanz.
Ich dachte, jetzt käme alles anders. Ich dachte, die neue Staffel der deutschen Bachelorette wäre das, wonach ich seit Jahren suche: Unterschichten-Fernsehen mit Niveau.
Eine Frau, eloquent, zierlich, anständig, welche die grosse Liebe sucht, und vor allem: Sehr viele gut aussehende Männer, die sich mal endlich anständig benehmen. Kein Kuss, der vor der vierten Folge fällt, keine bösen Worte untereinander, kein Mobben der Konkurrenz, keine Tangas, keine Pograbscherei.
Stattdessen anständiges Geplauder, alle sind stolz aufeinander, wenn einer ein Date hatte, gratulieren herzlich, stehen einander bei. Streit in der Villa? Gibt es keinen. Rachefeldzüge? Weit gefehlt.
Was mich an der Schweizer Bachelorette, am Schweizer Bachelor schon immer und immer öfter störte, Aggressionen, Fakeness, Nörgelei, gemachte Brüste und gespritzte Lippen, alle Körper gepumpt, kaum gerade Sätze, die grammatikalisch irgendwas taugten, mit einem Mal: wie weggeblasen. Die Deutschen wieder, dachte ich, machen anscheinend wieder mal alles besser. Heute wird die vorletzte Sendung ausgestrahlt. Das Halbfinale.
Also werde ich mich, treuherzig, vor den Bildschirm quälen, obwohl ich die Staffel fast nicht aushalte. Weil nichts passiert. Keinerlei Drama, keinerlei Betrug, keinerlei Abgründe. Die Tiefen der menschlichen Abtrünnigkeit, versenkt im blauen Meer, an dessen Strand gedreht wird. Was sich als Niveau und Tiefgründigkeit entpuppen sollte, dem mangelt es ironischerweise nun an Tiefe.
Denn egal, wie fake die Gesichtszüge und Brüste und Muckis der Schweizer Kandidaten immer waren: Mit den Wochen zeigten sie echte Gefühle, legten sie ihre ganze echte und theatralische Realität auf den Tisch.
Sie waren sich nie zu schade, sich blosszustellen oder sich richtig reinzugeben, in ihr Schicksal auf Zeit, der Reality-TV-Show. Unsere Landsleute waren am Ende des Tages viel inbrünstigere und leidenschaftlichere Figuren zwischen Realität und Schauspiel – so, wie wir das alle im Spiel der Liebe immer wieder sind.
Hinweis
«Die Bachelorette», Mittwochs, 20:15 Uhr, auf RTL oder Online auf TVNow.