Kuppel-Show
300 Folgen «Bauer, ledig, sucht...»: Knatsch, Kühe und Knutschen

Seit 12 Jahren ist die Sendung «Bauer, ledig, sucht...» ein Quoten-Renner. Kaum eine andere Sendung spielt so gekonnt mit den Schweizer Klischees und ist dabei gleichzeitig total realitätsnah.

Anna Miller
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Roger und Stefanie: Eines der Paare aus «Bauer, ledig, sucht...».

Roger und Stefanie: Eines der Paare aus «Bauer, ledig, sucht...».

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«Bauer, ledig, sucht...» strahlt nun also die 300. Folge aus, die Dreihundertste. Es lohnt sich, diese Zahl auszuschreiben. Erst so dämmert einem langsam, wie lange diese Sendung schon über unsere Bildschirme flimmert. Das Format ist ein TV-Erfolg. Es ist mittlerweile wie bei der Kelly Family oder der Lindenstrasse: Schon so lange da, dass man es vermissen würde, egal, ob Fan oder nicht. «Bauer, ledig, sucht» gehört nach zwölf Jahren zum soziokulturellen Gedächtnis der Schweiz.

Nicht verwunderlich. Denn kaum eine andere Sendung spielt so gekonnt mit den Schweizer Klischees und ist dabei gleichzeitig total realitätsnah. Die Macher achten darauf, dass alle gleichzeitig picknicken gehen, es werden dann Flechtkörbe auf rot-weisse Karodecken gelegt und Trachten getragen und wenn im Hintergrund bei laufender Kamera eine Kuh scheisst, dann wird die Szene neu gedreht. Die Menschen aber, die Bauern, die ihren Hof kaum je verlassen, durchschuften und mit der Mutter den Hof schmeissen, sind echt, keine Schauspieler, keine Showmen. Sie erhalten denn auch alle keine Gage für ihren Auftritt. Die Hoffnung auf Liebe muss reichen.

Marco Fritsche moderiert die Sendung schon seit über zehn Jahren.

Marco Fritsche moderiert die Sendung schon seit über zehn Jahren.

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Seit zwölf Jahren finden sich für jede Staffel bindungswillige Menschen, die darauf vertrauen und hoffen, dass sie mittels einer Fernsehsendung ihre grosse Liebe finden. Und sind sich ab und an auch nicht zu schade vor laufender Kamera, mit Zunge zu küssen oder in Zeiten von feministischen Debatten einen Wettbewerb zu starten, welche Dame schneller Kartoffeln schält. Es sind genau diese Momente, die medial für Wirbel sorgen und bei den Zuschauerinnen und Zuschauern für die perfekte Unterhaltung. Für einmal bleibt die Schweizer Zurückhaltung, für die wir allerorts gelobt und verschrien sind, ein bisschen aussen vor.

Ein bisschen Heidiland und harmloses Knutschen

«Diese Sendung ist ein Schweizer Phänomen, weil jeder irgendwie einen Bezug zu diesem Leben hat», sagt Moderator Marco Fritsche, der seit der zweiten Staffel dabei ist - insgesamt also über zehn Jahre. Nostalgischer als die Bachelorette, und für alle Altersklassen gleichsam verträglich: Fast 400.000 Menschen schauen sich jeweils eine Folge an, 37 Prozent sind über 60 Jahre alt. Und rund 25 Prozent aller Zuschauerinnen und Zuschauer haben einen Bildungsabschluss auf Tertiärstufe.

Vielleicht, weil das Format Idylle unterstreicht, die Bauern aber trotzdem authentisch bleiben. Ein bisschen Heidiland und harmloses Knutschen hat noch Keinem geschadet. Auch gibt es kein vorgeschriebenes Skript und kein lächerlich machen der Akteure. Das sei extrem wichtig, sagt Fritsche. Dass man nicht über die Köpfe der Leute hinweg entscheide und ihre Würde wahre.

Hofdamen, so weit das Auge reicht. Und Moderator Marco Fritsche.

Hofdamen, so weit das Auge reicht. Und Moderator Marco Fritsche.

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«In so vielen Sendungen werden die Leute lächerlich gemacht, Konflikte künstlich angeheizt. Bei diesem Format könnten wir uns das gar nicht leisten. Es bräuchte nur einen Bauern, der unglücklich ist, und wir müssten den Laden dicht machen», sagt er. Zu gut seien die Landwirte vernetzt, zu wichtig seien sie für die Schweiz. Da vertrage es keinen Spass. Und das sei auch richtig so.

Vielleicht liegt die rege Beteiligung auf Seiten der Bauern daran, dass die Situation für bindungswillige Bauern tatsächlich prekär ist, seit Jahren. Nicht nur in der Schweiz. Viele Frauen und Männer wollen sich in der heutigen Zeit keine harte, körperliche Arbeit mehr antun, wollen ihren Freiraum, wollen in die Ferien fahren und die Schwiegermutter nur an Weihnachten sehen, da ist die Ausgangslage einer Liebe auf einem Bauernhof keine rosige Aussicht.

Und vielleicht melden sich am Ende die Paarungswilligen auch bei den Bauern, weil dort Abenteuer ruft: einen echten Bauern statt nur Gemüse-Abo, eine Chance auf echtes Landleben, Dreck an den Stiefeln und ins Bett fallen, weil man körperlich müde ist und nicht einfach geistig matt.

250 Bauern, 26 Kinder, 21 Hochzeiten

Das wohl Krasseste an der ganzen Geschichte ist aber: Es funktioniert tatsächlich. Die Leute finden sich. Von den 250 Bauern, die in der Sendung waren, heirateten 21 sogar. Eine Scheidung gab’s bisher keine, dafür 26 Kinder. Statistisch betrachtet fast eine Unmöglichkeit. Finden doch gerade mal zwei physische Menschen auf diesen Hof, er sucht dann eine aus, die bleibt eine Woche, und danach ist in der Regel vieles schon geritzt.

Jeder, der sich in Zeiten von Tinder oder vor-coronamässigem, ewigem Anstehen in einer Bar dem Spiessrutenlauf hingibt, den oder die vermeintlich Richtige unter Tausenden zu finden, reibt sich da bloss die Augen und denkt: Wie ist das nur möglich? Vielleicht liegt es an den Ansprüchen, die tiefer liegen. Vielleicht sind die Leute, die gerne mit den Händen arbeiten, einfach auch bodenständiger und pragmatischer. Vielleicht schätzen sie einfach, was sie haben. Vielleicht schweisst so eine Hofwoche auch zusammen. Sicher ist: Zwei, die sich finden, feiern wir auch 2020 noch ab. Das Happy End kommt eben nie aus der Mode.

Bauer, ledig, sucht – die komplette erste Folge zum Nachschauen: