Karim Russo alias Monet192 drückt aufs Gaspedal – und auf die Tränendrüse. Im Februar erschien sein Débutalbum «Four Seasons», nun doppelt der 24-jährige St.Galler mit dem Minialbum «Kinder der Sonne» nach. Darauf zeigt er sich überraschend gefühlvoll.
Als Monet192 im Oktober eine neue EP (Minialbum) ankündigte, liess er damit aufhorchen. Schon wieder ein Album? Erst neun Monate alt ist «Four Seasons», das Début des St.Galler Deutschrappers. Nun folgt also bereits der nächste Streich: «Kinder der Sonne» ist am Freitag erschienen.
Es geht Schlag auf Schlag beim 24-jährigen Karim Russo, so heisst Monet192 (ausgesprochen: neunzehnzwei) mit bürgerlichem Namen. Seine Produktivität hat offenbar nicht unter der Pandemie gelitten. Wie er in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in einem Interview mit dem Berliner Radiosender Jam FM verriet – dem «Tagblatt» wollte er kein Interview geben –, ist auch sein nächstes Album schon fertig. Es soll 2022 erscheinen.
Dass er nicht nur bei seinen Lambos, Mercys und Bentleys aufs Gaspedal drückt, ist erfreulich. Wohl nur wenige junge Ostschweizer Künstler sind so erfolgreich wie Karim Russo: Der gelernte Psychiatriepfleger setzt seit einigen Jahren voll auf die Karte Musik, auf Spotify kann er auf 1,5 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer zählen. Anfang Jahr erhielt er einen Swiss Music Award, sein Album «Four Seasons» stieg auf Platz vier der Schweizer und auf Platz 14 der deutschen Album-Charts ein.
Auch «Kinder der Sonne» könnte durch die Decke gehen: Immerhin wurden die vier vorab erschienenen Singles auf Spotify bereits millionenfach gestreamt, das Video zu «Narben» haben sich innerhalb von einer Woche bereits 170'000 Leute angesehen.
Doch der Erfolg hat auch Schattenseiten, wie Monet192 auf seiner neuen EP verrät: Von den Tiefs nach den Shows erzählt er im Eröffnungstrack «Hollywood». Und in «Sterne» fragt er sich, wo all die falschen Freunde auf einmal herkommen:
«Ist schon Wahnsinn, sag, wo war’n sie? Vor dem Money, vor den Shows und vor den Charts?»
Schnell wird beim Hören klar: Ein Stimmungsheber ist «Kinder der Sonne» nicht, der Künstler klingt oft nachdenklich und verletzlich. Die Sonne, auf die der Albumtitel anspielt, zeigt sich nur selten. Die Beats sind schwer und düster, die Texte triefen vor Melancholie. Monet192 singt und rappt von Herzschmerz, Enttäuschungen und Narben, die auf der Haut brennen:
«Keine Sonne war zu seh’n, so dunkel mein Weg.»
Doch so sehr Monet192 manchmal auf die Tränendrüse drückt, verbiegen lässt er sich nicht, wie er im Song «Sterne» klarstellt: «Bleibe echt, eins zu eins.» Im Lied «Vorbei» heisst es:
«Ich bin ein Rapper und kein Prinz aus einem Märchen.»
Und so handeln seine Texte eben nicht nur von den Narben seiner Seele, sondern auch von «Bitches», Luxuskarossen, Drogen und Alkohol – wie es nun mal in diesem Genre üblich ist. Seiner unanständigen Seite hat er sogar einen separaten Song gewidmet. «Ich bin ein Badboy for Life», heisst es darin immer wieder.
Alles in allem ist «Kinder der Sonne» ein solide produziertes Album, auf dem Monet192 das Rad zwar nicht neu erfindet, aber dennoch eine überraschend frische Seite von sich zeigt. Die EP ist ruhiger, melodiöser, poppiger als der Vorgänger, die Beats grooven, die Stimme klingt, wenn auch mit einer Menge Digitaleffekten beladen, angenehm und warm.
Und die gefühlvolle Schiene – manchmal trägt er vielleicht etwas zu viel Pathos auf – steht dem «Badboy» ganz gut. Das macht neugierig auf das kommende dritte Album, das wohl nicht lange auf sich warten lässt.