Es wäre übertrieben zu behaupten, Nicole Berneggers Debüt-Album «The Voice» werde mit Hochspannung erwartet.
Eben erst verpasste die Singleauskopplung «The Fool» den Einstieg in die Hitparade – ein Indiz für ausbleibende Euphorie.
Überhaupt dauerte der Rückzug nach dem Sieg der SRF-Castingshow «The Voice of Switzerland» im März zu lange, als dass der Hype um die 36-jährige Baselbieterin hätte anhalten können.
Und doch: Ganz vergessen hat das Publikum die damals hochschwangere Powerfrau vermutlich nicht. Zu beeindruckend ihre Auftritte im Petticoat, zu kraftvoll ihre Soul-Stimme. Während wir die schönen Erinnerungen aufleben lassen, stiegen die Erwartungen an «The Voice» automatisch mit.
Solide
Leider verschaffte Berneggers Mutterschaftsurlaub ihrem Vocal-Coach und Produzenten Stress die Zeit, das Steuer in Richtung Pop zu reissen.
Mit dem Ergebnis, dass Nicole Bernegger auf «The Voice» vorwiegend Mainstream-Nummern singt («One Step Closer», «Tell me Why», «Shooting For The Stars»). Die sind nicht schlecht.
Doch die Diskrepanz zwischen der leidenschaftlichen Soul-Sängerin (die übrigens weiterhin mit ihrer Sixties-Band The Kitchenettes unterwegs ist) und der Pop-Orientierung der Produzenten ist zu gross.
«Helpless», das Herzstück des Albums, ist einer der seltenen Momente, in denen Nicole Bernegger sich selbst sein kann: umwerfend, authentisch und seelenstark.
Die anderen Nummern sind solide Popsongs mit teilweise vielversprechenden Anfängen («City Lights», «The Fool»), die dann leider in ziemlich öde Refrains abflachen.
Oder in launigen Passagen, die zwar Spass machen, aber nicht so recht zum Typ Bernegger passen wollen («Flowers, Trees and Birds»).
Ärgerlich
Wirklich schade, dass die Sängerin, «die» Stimme der Schweiz, ihr Talent auf «The Voice» nicht vollständig entfalten kann. Richtig ärgerlich ist das.
Denn gerade ihr, dem erfrischenden Castingsieger-Antitypen (Mutter, Rockabilly, hochschwanger, über 30), hätte man einen reibungslosen Start und einen festen Platz im Musikbusiness so sehr gewünscht.
Die These ist gewagt, aber vielleicht ist es eben doch besser, wenn die Sieger von Castingshows ihre Alben – wie normalerweise üblich – innerhalb weniger Wochen ausspucken.
Servieren, solange der Braten noch heiss ist. In Nicole Berneggers Fall hätte dies bestenfalls bedeutet, dass man sie – dem ersten Impuls entsprechend – voll und ganz auf ihrer Motown-Welle hätte weiterreiten lassen. In dem Genre, in dem sie mit Leib und Seele zu Hause ist.
Nicole Bernegger The Voice. Universal. Ab Freitag erhältlich.
So tönte Nicole Bernegger bei «The Voice»