Auch mit ihrem dritten Roman «Schöne Welt, wo bist Du» schreibt Sally Rooney den an der Welt leidenden Millenials aus dem Herzen.
Muss man wissen, dass die irische Bestsellerautorin Sally Rooney sich mit der Hauptfigur ihres neuen Romans selbst beschrieben hat? Dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» verriet die 30-Jährige, dass die depressive Erfolgsautorin Alice in «Schöne Welt, wo bist du» ihr selbst sehr nahe kommt: «Ich hatte das Gefühl: Das bin ich. Das ist mein Leben. Das kommt direkt aus meinem Herzen.» Man hat es vermutet. Zu ähnlich äussern sich Figur und Autorin darüber, dass Berühmtsein eine übergrosse Last sei, dass Romane zu schreiben die Welt nicht verändere, an der man leidet, deshalb Kunst wertlos sei, und dass einem Kommentare in den sozialen Medien im wörtlichen Sinn verrückt machen können.
Zwiespalt und Selbstekel prägen auch das Lebensgefühl ihrer Hauptfiguren. Alice und ihre Freundin Eileen plappern von kapitalistischer Dekadenz, machen aber selbst bloss was mit Kunst. Dass Rooneys Hauptfiguren diesen Zwiespalt hoch reflektiert aussprechen, gehört zu den Qualitäten von Rooneys Büchern – und ist ein Grund, weshalb um sie ein weltweiter Hype entstanden ist, Rooney zu einer Stimme der Millenials wurde. Die in langen Emails eingefügten Gedanken zu Ästhetik, Kapitalismus, Katholizismus sind eine Fundgrube zeitgeistig-kluger Gedanken. Auch Barack Obama zählt Sally Rooney zu seinen Lieblingsautorinnen.
Das Romanpersonal, die Beziehungskonflikte und die explizite Gegenwartskritik sind dieselben wie in Rooneys ersten beiden Romanen. Experimenteller und montageartig postmodern ist der Roman formal. Ausführliche Emails, Chats, gestraffte Rückblenden, subtile Live-Beobachtungen wechseln sich ab.
Alice ist nach einem Nervenzusammenbruch aus Dublin in ein Dorf geflüchtet und beginnt eine Affäre mit dem ruppigen, unverschämten Lageristen Felix, der mit seiner Menschenkenntnis aber die schwierigen Beziehungen ins Lot bringt. Denn Alices Freundin Eileen ist immer noch mit ihrem Jugendfreund Simon verhakt. Literarisch besonders stark sind jene Passagen, in denen sie dem Blick auf kleinste Gesten vertraut, den Dialogen ihrer Figuren zuhört und so deren Innenleben spürbar macht. Sie drucksen herum, reden schnippisch bis behutsam (auch beim Sex), halten sich selbst für verschroben, sind aber normale, streitfähige Leute. Das Happy End mag man kitschig finden, es ist aber konsequent: Vielleicht ist es Reife, dass am Ende nicht Weltekel und Kapitalismusabschaffung steht, sondern die Liebe und die Freundlichkeit mit seinen Nächsten.
Sally Rooney: Schöne Welt, wo bist du. Claassen, 351 S.