Krieg in der Ukraine
Nach Kritik: Sopranistin Anna Netrebko tritt nicht in Zürich auf

Der russische Opernstar hätte Ende März in Zürich als Lady in Verdis «Macbeth» auftreten sollen. Nun teilt das Opernhaus Zürich mit: Die zwei Auftritte mit Netrebko werden abgesagt.

Anna Raymann
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Der Druck auf russische Kunstschaffende wächst: Valery Gergiev und die Sopranistin Anna Netrebko (Hier beim gemeinsamen Auftritt zum FIFA World Cup auf dem Roten Platz in Moskau 2018) werden in der Schweiz sobald nicht mehr auftreten.

Der Druck auf russische Kunstschaffende wächst: Valery Gergiev und die Sopranistin Anna Netrebko (Hier beim gemeinsamen Auftritt zum FIFA World Cup auf dem Roten Platz in Moskau 2018) werden in der Schweiz sobald nicht mehr auftreten.

Mikhail Metzel

Man fragte sich: Auf was wartet das Opernhaus Zürich? Ende März sollte Anna Netrebko die Rolle der Lady in Giuseppe Verdis «Macbeth» in Zürich singen. Der russische Opernstar feierte im Kreml ihren 50. Geburtstag und trat einst - ob absichtlich oder überrumpelt - mit grossrussischer Flagge auf. Der Auftritt in Zürich sorgte angesichts des Krieges in der Ukraine für Empörung. Dennoch hielt sich das Opernhaus Zürich als höflicher Gastgeber zurück (wir berichteten).

Bis jetzt. Am Dienstagnachmittag teilte Intendant Andreas Homoki in einem Schreiben mit, dass die zwei Abende mit Anna Netrebko abgesagt werden. An ihrer statt wird Veronika Dzhioeva singen. Das Opernhaus schreibt:

«Wir müssen feststellen, dass unsere entschiedene Verurteilung von Wladimir Putin und seinem Handeln einerseits und Anna Netrebkos öffentliche Position dazu andererseits nicht kompatibel sind.»

Am Samstagabend hat Anna Netrebko ein Statement veröffentlicht, in dem sie sich gegen den Krieg ausspricht. Von der Politik Wladimir Putins distanziert sie sich darin nicht ausdrücklich. Wie viele ihrer Kollegen sei sie keine politische Person, sondern Künstlerin, mit dem Ziel Menschen über politische Gräben hinweg zu verbinden.

Zunächst schien dieses Statement dem Opernhaushaus Zürich zu genügen, man hielt zu Netrebko, während man die Fassade des Hauses in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb anstrahlte. Nun schreibt Homoki: «Wir bewerten dieses Statement der Künstlerin positiv und nehmen zur Kenntnis, dass sie sich darüber hinaus nicht von Wladimir Putin distanzieren konnte.»

Anna Netrebko hat alle Konzerte für die kommenden Monate abgesagt oder verschoben.

«This is not a time for me to make music and perform.»

Es sei, so schreibt die Künstlerin im neusten Statement, nicht die Zeit für sie, aufzutreten und zu musizieren. Die Entscheidung sei ihr schwer gefallen, aber sie wolle einen Schritt zurücktreten und bittet ihr Publikum, die Entscheidung zu respektieren. Auf Instagram teilte sie kurz zuvor ein Foto, Hand in Hand jubelnd mit dem ebenso putinnahe Valery Gergiev. Ihren Account hat Netrebko inzwischen auf «privat» gestellt.

Zahlreiche russische Künstlerinnen und Künstler scheuen sich nicht davor, Putins Krieg in der Ukraine zu kritisieren. Igor Levit, deutsch-russischer Pianist, äussert sich auf den Sozialen Medien scharf: Musik und die Tatsache Musiker zu sein, dürfe niemals als Entschuldigung gebraucht werden. Sein Statement muss in diesen Tagen als direkte Antwort auf Anna Netrebko gelesen werden.

Der Druck auf russische Kunstschaffende und Institutionen, die mit ihnen zusammenarbeiten, wächst. Symbolische Akte, wie das Beleuchten einer Fassade reichen nicht, angesichts der eskalierten Gewalt in der Ukraine.

So wie die Schweiz gezögert hat, sich den EU-Sanktionen anzuschliessen, wartete man auch in Zürich zu. Opernhaus-Intendant Andreas Homoki mahnt indes in seiner Mitteilung zur Absage der Netrebko-Auftritte vor Verurteilungen:

«Wir halten es grundsätzlich nicht für angemessen, aus der Perspektive einer westeuropäischen Demokratie, die Entscheidungen und Handlungen von Bürgerinnen und Bürgern repressiver Regime zu beurteilen.»

Rascher als in Zürich ging es in Luzern: Bereits am Montagmorgen hat das Lucerne Festival Putin-Freund Valery Gergiev ausgeladen. Nach Gesprächen mit «dem Stiftungsrat und poli­tischen Vertretern», so teilte man mit, wurden die beiden Konzerte im Sommer abgesagt. Inzwischen haben sich auch die Münchner Philharmoniker von ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev getrennt.