Mit Jean-Paul Belmondo verliert Frankreich einen seiner grössten Schauspieler. Und Stuntman: «Bebel »war einer der ganz wenigen Kinostars, der seine Actionszenen selber spielte.
Noch einmal überraschte er seine Fans: Er sei ruhig entschlafen, berichteten am Montag Bekannte vom Tod Belmondos, der sonst alles andere als die Ruhe in Person war. Cool vielleicht, unaufgeregt, aber nie im Stillstand. Wenn er in «Angst über der Stadt» am Helikopter hing, oder wenn er sich auf einer Verfolgungsjagd im Auto überschlug - stets war etwas los in den Filmen mit Jean-Paul Belmondo. Und vielleicht noch entscheidender: Der Mann mit dem breiten Grinsen und dem geradlinigen Stil war so einnehmend, dass sich die Regisseure gar keine Tricks einfallen lassen mussten, um die Identifikation der Zuschauer mit ihm zu ermöglichen. Unmöglich, im Kinositz nicht automatisch auf der Seite Belmondos zu stehen.
Dabei war «Bebel», wie ihn die Franzosen nannten, kein geborener Schauspieler, dem alles in den Schoss fiel. Der 1933 geborene Pariser fand nach einem Tuberkulose-Anfall zur Schauspielerei. Am Pariser Konservatorium fiel er mehrfach durch, seine leicht näselnde Sprechweise passte nicht zu den klassischen Werken der französischen Literatur.
Nach kleineren Rollen gab ihm der Regisseur Claude Chabrol, einer der grossen Namen der Nouvelle Vague, eine Chance. Und Belmondo nutzt sie. Im Existenzialismus jener Zeit machte er sich auch einen Namen in Jean-Luc Godards «Ausser Atem». Er spielt einen Polizistenmörder, dem die Freundin davonläuft, und trotzdem lässig und unverschämt durch das schwarz-weisse Pariser Filmdekor der sechziger Jahre wandelt.
Belmondo brillierte in einer weiteren Charakterrolle Godards namens «Pierrot le Fou» (zu deutsch: «Elf Uhr nachts»). Danach reihte der Workaholic Film an Film – ein halbes Dutzend im Jahr. Einem breiten Publikum wurde er mit «Abenteuer in Rio» bekannt. Viele Regisseure haben mit diversen Schauspielern versucht, die nonchalante und trotzdem spannende Atmosphäre dieses Spielfilms zu imitieren; aber auch der Schauspieler Jean Dujardin, der in Paris heute als Nachfolger Belmondos gilt, kam und kommt nie an sein grosses Vorbild heran.
Auch «Angst über der Stadt» war so schnörkellos, unterhaltend und erfolgreich wie kaum je ein französischer Actionthriller. 1981 schaffte sich Belmondo mit «Der Profi» selber ein Denkmal. Weniger geglückt war «Der Profi 2» (Französisch: Le Solitaire), von dem er in seiner entwaffnenden Offenheit sagte, das sei «ein Krimi zu viel» gewesen.
Kritik setzte es am Gangsterstreifen «Borsalino» ab, allerdings nicht wegen des Inhaltes, sondern weil sich die beiden Stars in die Haare gerieten: Alain Delon, der sich in dem Fall als Produzent versuchte, hatte vertragswidrig seinen eigenen Namen an die Spitze gesetzt, was Belmondo auf dem Gerichtsweg korrigieren musste.
Der Streit wurde später beigelegt, als Belmondo generös erklärte, eigentlich seien sie ja die besten Freunde. «Bebel» war eben grosszügig bis zur Unvorsichtigkeit. Später sollte der vierfache Familienvater auch einmal von einer viel jüngeren Lebenspartnerin finanziell ausgenützt werden. Aber Vorsicht war nie das Ding dieses Schauspielers, der seine Stunts erst aufgab, als er sich dabei eine schwere Verletzung geholt hatte.
Für die Franzosen war Belmondo der beliebteste all ihrer Schauspieler. Nicht der Lustigste (das war Louis de Funèes), nicht der Schönste (das war Delon), aber der Unkomplizierteste, der Einfachste, auch der Unverfrorenste und Mutigste.
Kurz: «Der Grösste». So lautete auch der ironische Zusatz seines vielleicht besten Films, «Le Magnifique». In einem einfachen, aber genialen Drehbuch spielt Belmondo einen erfolglosen Schriftsteller, der sich in seiner kalten Bude mit Auftragskrimis über Wasser hält; für seinen tristen Alltag revanchiert er sich in seinen Bahnhofromanen, indem er die Bösewichte mit dem Konterfrei seines realen Verlegers ausstattet und dann mit Genuss in alle Bestandteile zerlegt. Ein anderer Feind wird als Agent in einer Telefonkabine von einem Hai zerfleischt. Der Autor schreibt so schnell, dass ihm auch sonst die Realität in die Quere kommt: Die Putzfrau, die sehr real zum Reinemachen kommt, taucht Sekunden später in seinem Actionbuch auf.
«Ich habe ein so glückliches Leben gehabt!»
Das war eine Rolle nach Belmondos Mass. Der «Volksschauspieler», wie ihn Pariser Medien respektvoll nannten, wurde auch ein erfolgreicher Film- und Theaterproduzent; er kaufte und unterhielt in Paris auch sein eigenes Theater. 1999 trat er letztmals auf einer Bühne auf; 2001 ereilte ihn ein Hirnschlag. Danach spielte er nur noch in kleinere Rollen. Aber immer mit einem grossen Maul («Frankreich, das bin ich») und einem grossen Herzen.
Schon stark geschwächt, sagte er, er sei nur traurig, dass ihn seine besten Schauspielerfreunde wie Philippe Noiret oder Jean Rochefort durch ihren Tod verlassen hätten. «Ich selber habe keine Angst vor dem Ende,» erzählte er einem der letzten Journalisten, die ihn interviewten. Gefragt, warum nicht, sagte: «Ich habe ein so glückliches Leben gehabt!» Und Millionen von Zuschauern jeweils zwei Filmstunden lang glücklich gemacht.