Die Karriere von Olivia Newton-John war durch Imagewandel geprägt. Mit «Grease» wurde sie zum Superstar, aber erst als Aktivistin gegen Brustkrebs hat sie sich wirklich Respekt verschafft. Jetzt hat sie im Alter von 73 Jahren ihren Kampf verloren.
Als blond gelockte Sandy verdrehte sie 1978 im Musicalfilm «Grease» nicht nur dem rebellischen Danny (John Travolta) den Kopf. Mit Pferdeschwanz und Pettycoat verzückte die britisch-australische Sängerin auch ein Massenpublikum. «Grease» wurde zum Kassenschlager mit Kultstatus und der Soundtrack von «Grease» zählt mit weltweit über 38 Millionen verkauften Exemplaren zu den meistverkauften Musikalben der Musikgeschichte. Im Duett mit John Travolta trällerte sich Olivia Newton-John mit «You're The One That I Want» und «Summer Nights» an die Spitze der internationalen Hitparaden und doppelte Solo mit «Hopelessly Devoted To You» noch nach. Ende der 1970er-Jahre war sie ganz oben angekommen und gehörte zu den grössten Stars des Popgeschäfts.
Olivia Newton-John war keine Unbekannte, als sie mit «Grease» durchstartete. Ihren Einstand gab sie als Schlagersängerin Mitte der 1970er-Jahre mit harmlosen Tränendrüsen-Folk-Countrysongs wie «Let Me Be There», «If You Love Me» und «I Honestly Love You». In den USA hatte sie Erfolg, gewann sogar einen Grammy. Doch das konservative Countryestablishment rebellierte gegen die Wahl. Keine Gnade kannte auch die Musikpresse. Das einzige Überraschende an den Songs sei, «wie schnell man sie wieder vergessen kann», schrieb etwa der «Melody Maker». «Wenn Weissbrot singen könnte, würde es wie Olivia klingen», meinte «Billboard». «Hübsch und banal», nannte sie «Newsweek». Olivia Newton-John galt als nettes, blondes Schätzchen, das nicht allzu ernst genommen wurde.
Mit dem Musicalfilm «Grease» erfolgte ihre erste Imagekorrektur. Sie wandte sich vom sentimentalen Countryschlager ab und katapultierte sich mit kessen Auftritten und Rock-'n'-Roll- und Doo-Wop-Songs im Stil der 50er-Jahre in kommerziell höchste Höhen. Es war die Blütezeit der Musikfilme. Die Discoschmalze «Saturday Night Fever» mit John Travolta machte 1977 den Anfang, der Trend erreichte mit «Grease» den Höhepunkt. Das Filmmusical «Xanadu» von 1980 war zwar ein Flop, die Beliebtheit von Olivia Newton-John blieb aber ungebrochen. Der Song «Xanadu» mit dem Electric Light Orchestra erreichte wieder die Spitzen der Charts.
Die Verwandlung der Olivia Newton-John vom braven Schlagerschätzchen zum Sexvamp erreichte mit dem Song «Physical» 1981 ihren Höhepunkt. Sie sang für Lust und gegen Umweltverschmutzung und beschallte schon bald jedes Aerobic-Studio rund um den Globus. Ihre Aufforderung «Let's Get Physical» war aber einigen Radiostationen schon zu explizit, worauf sie den Song sogar boykottierten. Doch die einst brave Olivia profitierte auch von dieser Kontroverse. Zehn Wochen stand der Song auf Platz eins der US-Charts, und das amerikanische «Billboard»-Magazin wählte ihn zum «Sexiest Song of All Times».
In den 80er-Jahren ging ihre Erfolgskurve deutlich zurück und sie kümmerte sich schwergewichtig um ihre Familie. Mit insgesamt rund 100 Millionen verkauften Einheiten steht Olivia Newton-John kommerziell gesehen aber auf der Höhe von Popgrössen wie Prince, Bob Dylan, David Bowie, Stevie Wonder und Tina Turner. Sie erreichte aber nie deren Bedeutung. Ihr Beitrag für die Popgeschichte und ihr Potenzial waren doch zu klein, die Stimme zu limitiert. Zu sehr war sie auf die Schützenhilfe von Komponisten, Produzenten und Filmemachern angewiesen.
Die Musikkritik blieb selbst in der Phase ihres grössten Erfolgs reserviert. Wirklich Respekt verschaffte sich Newton-John erst, als bei ihr Anfang der 1990er-Jahre Brustkrebs diagnostiziert wurde und sie sich als Aktivistin im Kampf gegen die heimtückische Krankheit profilierte. Zunächst schien sie genesen, doch 2013 kehrte die Krankheit zurück und streute in die Schulter. Wieder schien sie den Kampf zu gewinnen, doch 2018 schlug der Krebs erneut zu, zum dritten Mal. Diesen letzten Kampf hat sie nun doch verloren. Am 8. August, nach einem jahrzehntelangen Kampf, ist sie «friedlich» auf ihrer Ranch in Südkalifornien gestorben. «Olivia war ein Symbol für Sieg und Hoffnung, mehr als 30 Jahre lang, in denen sie ihren Weg mit Brustkrebs teilte», hiess es auf Instagram.