Otto Waalkes ist seit 40 Jahren im Comedy-Geschäft. Jetzt startet in der Schweiz sein neues Werk «Otto's Eleven». Mit dabei: Die Schweizer Schauspielerin Stéphanie Berger.
Otto, der Mensch, sieht aus wie Otto im Film. Im Zürcher Hotelzimmer, wo er uns zum Interview empfängt, ist eine Badewanne zu sehen, aber kein Bett. Sagen wir «Herr Otto» oder «Herr Waalkes»? Auch das ist kein Problem: «Einfach Otto.» Nur Gott weiss, wie viele Interviews er bereits gegeben hat in seinem Leben. Er habe indes, sagt er, auch mit 62 noch Freude dran: «Man entdeckt immer wieder Neues. Jeder Journalist, der hier hereinkommt, fragt anders.»
Otto, am Anfang Ihres neuen Films sehen wir eine friesische Insel und fünf Männer, die da in einer Insel-WG leben. Ist das autobiografisch?
Otto Waalkes: Nein, ottobiografisch. Da komm ich eben her, aus dieser Landschaft mit dem Watt, den Dünen. Maler wie im Film war ich auch, habe Kunstpädagogik studiert...
Da war wohl mehr auf der Leinwand als nur der Strich des Watts und darüber eine Kindersonne?
Man abstrahiert zunehmend. Hat Picasso in der mittleren Phase ja auch gemacht.
Die WG kann indes auch ottobiografisch sein. Sie wohnten mal in einer grossen Hamburger WG, u.a. mit Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen. Wie ging das?
Es war eine musikalische Sache. Lindenberg, Müller-Westernhagen haben Musik gemacht. Ich habe Gitarre gespielt, gesungen.
Also keine ostfriesische Antwort auf die Berliner Kommune 1?
Nein, nichts Ernsthaftes. Eine komische Szene, Hamburger Untergrund – ja, aber wir haben nur Spass gemacht. Da waren 14 Personen. Darunter gab es natürlich politisch orientierte Leute. Es war chaotisch. Ich habe genau neben der Küche gewohnt. Keiner kümmerte sich um die Küche. Mit dem ersten Geld kaufte ich erst mal eine Spülmaschine. Dann begannen die Leute Erfolg zu haben. Udo Lindenberg zog aus ins Hotel und wohnt da heute noch.
Müller-Westernhagen sagt über Sie heute, Sie seien «ein klasse Junge, ein hochbegabter Musiker und ein sensibler Kerl». Man könne mit Ihnen auch ernste Worte reden.
Natürlich. Das ist ja jetzt auch ein ernstes Gespräch, das wir führen. Das halte ich aber nicht lange durch, nur über ein paar Minuten. Ich kann ja nicht aus meiner Haut. Ich versuche, ernst zu sein, aber ich werde nicht ernst genommen.
Hier geht es aber weiter. Müller-Westernhagen sagt über Sie auch: «Otto unterscheidet nicht zwischen privat und öffentlich. Wenn er auf der Strasse angesprochen wird, macht er den Ottifanten.»
Den mach ich gern – ja. Da brauch ich mich gar nicht zu verstellen. Das ist eine Mentalitätssache. Ich bin in einer heilen Welt aufgewachsen. Die Eltern, die ich sehr geliebt habe, waren immer heiter und gut gelaunt. Das hat mich geprägt. Man wird da vielleicht auch ein bisschen konfliktscheu. Bei Ablehnung jedenfalls bin ich empfindlich.
Wir wollen hier keineswegs auf Psychologie machen. Aber die Frage ist schon die, wie viel Figur oder Ottifant man ist als Komiker, nach vierzig Jahren Erfolg – und wie viel Waalkes noch übrig ist?
Wenn man sich ständig verstellen müsste, weiss ich nicht, ob man vierzig Jahre mit Begeisterung durchhält. In anderen Worten: Die Figur – das bin schon ich.
Und das Wort erfanden auch Sie, den Ottifanten? Eines ihrer bevorzugten Stilmittel oder Kunststücke ist das temporeiche Wortspiel.
Unter anderem. Ich habe auch das Wort Schniedelwutz erfunden, nämlich so, in einer Predigt: «Es herrscht so viel Aberglauben. Da gibt es Menschen, die schnitzen sich Zickzack-Muster in ihre Reifen, um so die Götter des Aquaplaning zu überlisten. Andere wiederum stülpen kleine Gummitütchen über ihren Schniedelwutz, um so die Götter des Familienplaning zu überlisten.»
Was sagen Sie zu den Comedians heute, die ganze Stadien füllen?
Nicht zu beneiden: Wenn man zu schnell ist mit Witz und Pointe, muss man warten, bis die Pointe durch alle Reihen ist. Das geht eigentlich nicht. Aber es gibt Leute, die beweisen, dass es eben trotzdem funktioniert. Das ist toll. Die Leute haben augenscheinlich Lust auf Comedy.
Produziert nicht das Privatfernsehen solche Leute?
Dass viele junge Leute mit Talent auf diese Weise ein Forum bekommen, ist doch gut: Keine Klasse ohne Masse! Und dann entpuppen sich einige als grosse Komiker.
Aber ob daraus vierzig Jahre werden wie bei Ihnen, wird sich erst noch weisen müssen.
Das ist nicht einfach. Aber machbar, Herr Nachbar.
Sie bauen in «Otto’s Eleven» wieder auf Ihre bewährten Muster: Kalauer, Parodie, Hommage, Wortspiele, Körpersprache. Revolutionär neu für Sie ist das nicht.
Das war überhaupt nicht meine Absicht. Ich wollte ein Stück Ottobiografie weiterschreiben, eins, wo die Gags nicht bloss aneinandergereiht sind, sondern eine Funktion haben, die Handlung vorantreiben. Das ist eben neu: Der Gag ist nicht ohne Zweck. Relativ neu ist, dass ich andere Komiker um mich habe, ganz unterschiedliche Talente. Nun könnte man argwöhnen: Viele Köche verderben den Brei. Aber das hat gut funk-tioniert.
Eine mitwirkende Kabarettistin im Film ist Stéphanie Berger. Im Film haben Sie das Privileg, Stéphanie nackt zu sehen, während der Zuschauer (und die Kamera) nur ihren Rücken sehen.
Das bereue ich nicht. Das sieht man nicht alle Tage. Ich male sie sogar als Akt – mein Meisterwerk!
Otto's Eleven. (D 2010). 92 Min. Regie: Sven Unterwaldt. Mit: Otto Waalkes, Sky du Mont, Stéphanie Berger. u.a