«Mission: Impossible – Ghost Protocol» mit Tom Cruise ist Actionkino, das sich zum Glück nicht immer ganz ernst nimmt.
Man könnte ja denken, man hätte in den ersten drei «Mission: Impossible»-Abenteuern schon genug Irrwitziges gesehen. Da war die Szene, in der Wunderagent Ethan Hunt an einem TGV herumhangelt, während hinter ihm ein explodierender Helikopter auf ihn zurast. Oder die, wie Hunt lässig eine Pistole aus dem Sand hochkickt, sie fängt und damit seinen Antagonisten erschiesst. Und noch besser: Um eine Mikrobombe zu entschärfen, bastelt sich Hunt einen Befehls-Defibrillator, den er dann mehr oder weniger fachgerecht an sich anwendet.
Nukleare Paranoia
Bei «Mission: Impossible» scheint entgegen dem Titel wirklich nichts unmöglich. Und so sollte man erst gar nicht überrascht sein, wenn in der neuesten Auflage erst einmal der Kreml in die Luft gejagt wird. Zwar nicht der ganze, aber ein beträchtlicher Teil davon. Während des Russens Seele blutet, ist der vermeintliche Ursprung der Terroristen schnell ausgemacht: Es sind Amerikaner.
Die Welt erlebt damit die sofortige Wiederherstellung des Ost-West-Konflikts, mitsamt nuklearer Paranoia. Während der russische Präsident im Fernsehen allen Ernstes über den Atomkrieg als «unschönen, aber notwendigen Teil der Evolution» referiert, macht sich der Schurke Kurt Hendricks (Michael Nyqvist) alias Cobalt zielstrebig daran, eine Atomrakete auf eine amerikanische Stadt zu schiessen. Es wäre der Start einer fatalen Kettenreaktion, und genau eine solche wollen Ethan Hunt (Tom Cruise) und sein dreiköpfiges Team verhindern. Die Jagd auf Cobalt wird zur wilden Hatz durch die Metropolen von Moskau, Mumbai und Dubai.
Man mag sich wieder
In Letztgenannter wird der Irrwitz mit der Kreml-Sprengung bereits wieder getoppt. Dort klettert Hunt nämlich am höchsten Gebäude der Welt herum, dem 828 Meter hohen Burj Khalifa. Spider-Man-artige Handschuhe geben ihm Halt, jedenfalls, bis die Wunderdinger ihren Geist aufgeben. Hunt hat ein Problem, und das ist gut so: In absoluter Hochform befindet sich dieses 133-minütige Adrenalinbündel von Film nämlich immer dann, wenn etwas nicht nach Plan läuft.
Ein Problem wurde indes bereits aus dem Weg geräumt, bevor überhaupt eine Drehbuchzeile geschrieben war. Tom Cruise und Paramount-Pictures-Besitzer Sumner Redstone einigten sich an einem Mittagessen im März 2008, ihre Zusammenarbeit zu erneuern. Eineinhalb Jahre zuvor liess das Filmstudio Cruises Vertrag nach 14 verdienstvollen Jahren auslaufen. Sein Verhalten (etwa der peinliche Auftritt als Neuverliebter bei Talk-Queen Oprah Winfrey) und seine offen geäusserten Anschauungen (er amtet als Repräsentant für Scientology) waren Paramount zu kontrovers.
Selbstironie als Plus
Nach dem zwischenzeitlichen Bruch gab es Gerüchte, Paramount Pictures wolle als Franchisen-Besitzer die Serie mit Brad Pitt neu lancieren. Brad kam dann tatsächlich an Bord – aber nicht Pitt, sondern Brad Bird. Der zweifache Animations-Film-Oscarpreisträger («The Incredibles», «Ratatouille») liefert mit 53 Jahren sein Realfilm-Regie-Debüt.
Sehr gespannt wäre man darauf gewesen, was für ein Drehbuch der begnadete Geschichtenerzähler Bird für «Mission: Impossible – Ghost Protocol» verfasst hätte. Aber tiefgründige Charakterzeichnungen und narrative Meisterleistungen stehen ohnehin nicht im Fokus dieser Filmreihe. Ihre Doktrin ist simpler Natur: Es muss krachen und splittern, es müssen wahnwitzige Handlungsabfolgen geboten werden und möglichst abstruse Gadgets zum Zuge kommen.
Diese Mission erfüllt der vierte Teil bestens und erfreulicherweise nicht nur mit zusammengebissenen Zähnen. Man staunt: Selbstironie hat Einzug gehalten bei «Mission: Impossible». Zwar ist sie nicht ganz so ausgeprägt wie damals, als Roger Moore sie in seinen Bond-Filmen zelebrierte. Aber nun darf sich Ethan Hunt auch mal über eine Geheimnachricht wundern, deren Selbstzerstörungs-Mechanismus nicht funktioniert. Verraten darf man es jetzt schon: Auch dieses Problem bekommt der Superagent in den Griff.
Mission: Impossible – Ghost Protocol (USA 2011) 133 Min. Regie: Brad Bird. Mit: Tom Cruise, Paula Patton, Jeremy Renner, Simon Pegg u.a.