Duftkonzert
Parfümeur Vincent Micotti entwirft einen Duft für Johann Sebastian Bach: «Meine Nase ist nicht ‹besser›»

Ein Konzert belebt die Sinne. Der Parfümeur Vincent Micotti fügt den Goldberg-Variationen eine ganz besondere Nuance hinzu.

Anna Raymann
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Seine Nase sei nicht «besser» – aber trainierter. Vincent Micotti kreiert Düfte für ein Konzert mit Oliver Schnyder.

Seine Nase sei nicht «besser» – aber trainierter. Vincent Micotti kreiert Düfte für ein Konzert mit Oliver Schnyder.

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Es ist nicht der Geruch nach einem Platzregen im Sommer. In der gut ausgebildeten Nase von Parfümeur Vincent Micotti weckt ein anderer Geruch sentimentale Erinnerungen: «Schon als Kind liebte ich den Geruch, bevor es schneit – bevor, nicht danach. Meistens rieche ich diesen bestimmten Geruch schon einige Stunden vor dem Schneefall», erzählt Vincent Micotti. Seit etwa 15 Jahren entwirft er Düfte und Parfüms. Sein Geruchssinn ist «trainiert», er nimmt Nuancen wahr, die wohl den meisten Menschen verborgen bleiben. «Meine Nase ist aber nicht ‹besser› als andere. Ein Klavierspieler hat schliesslich auch keine ‹besseren› Finger.»

Die Düfte, die der Westschweizer kreiert, sind oft Sonderanfertigungen, sozusagen massgeschneidert für Kunden, die für ihren Auftritt mehr wollen als eine exklusive Garderobe. Die Kreationen für sein Label «YS-UZAC» tragen opulente Namen wie «Game Palace of Hell Master».

Die Schweiz ist führend in der Duftforschung

Seine neuste Maassanfertigung hat er für Johann Sebastian Bach entworfen. Zusammen mit dem Pianisten Oliver Schnyder gibt er in der Klosterkirche Königsfelden ein Duftkonzert. «In der Komposition geht es nicht nur um ein einzelnes Musikstück, sondern um Bach und die Rolle, die er in der Musikgeschichte spielt», so Micotti. «Es ist eine Hommage. Sie muss einerseits zu diesem Mann des 18. Jahrhunderts passen, und andererseits für ein modernes Publikum verständlich sein.»

Bevor er Parfümeur wurde, war Micotti Berufsmusiker, sein Instrument das Cello. Die Goldberg-Variationen, die Schnyder am Konzert spielen wird, kennt er daher gut. Zwar geht es in dem Experiment nicht darum, Note für Note in Nuance für Nuance zu übersetzen. Dennoch haben seine Erfahrungen als Musiker die Zusammenarbeit erleichtert: «Ich habe sofort verstanden, worum es geht», sagt Micotti. Dasselbe gilt für den Pianisten. Vincent Micotti lacht:

«Oliver Schnyder liebt Düfte. Was kann ich mir mehr wünschen?»

Seine Branche ist für viele eine unbekannte Welt. Dabei, so erzählt Micotti, sei nicht nur Frankreich mit Paris, sondern eben auch die Schweiz, zwischen Genf und Zürich, eine der führenden Regionen für Forschung, Duftkreation und -produktion. In den 90er-Jahren habe die Branche einen Sprung gemacht, neue Impulse regten moderne Kreationen an. Diese haben dann Vincent Micotti dazu bewegt, das Cello gegen verschiedene Essenzen und den Bogen gegen eine Pipette einzutauschen.

Weniger romantisch als gedacht

Seit 2009 hat Micotti sein eigenes Atelier in Münchenstein bei Basel. Auf seinem Tisch stehen Hunderte Fläschchen, die sich abgesehen vom Etikett kaum unterscheiden. Hunderte weitere Fläschchen stehen in mehreren Kühlschränken mit unterschiedlichen Temperaturen. «Präzision ist in meinem Beruf sehr wichtig», so Micotti, «die Laborwaage auf dem Tisch darf nicht fehlen.»

Die Sorgfalt, mit der er arbeitet, hört man auch, wenn er spricht. Er überlegt, bevor er antwortet, die Wörter wählt er mit Bedacht, der französische Accent klingt noch leicht heraus. Auch nach 15 Jahren falle es ihm im Grunde nicht schwer, etwas Neues, etwas Originales zu entwickeln – «die Welt ist so bunt» – sagt Vincent Micotti.

«Es wird aber insofern schwieriger, dass ich bei jedem Duft mehr von mir erwarte. Ich bin mein strengster Kritiker.»

In der Musik wie auch beim Duft spricht man von einer Komposition. So wie ein Musikstück eine Ouvertüre hat, gibt es beim Duft Nuancen, die zu Beginn prominent sind, sich mit der Zeit aber zurücknehmen, um anderen Ingredienzien Raum zu geben.

Zu einem guten Duft gehört etwas Drama

«Ein Duft muss eine Geschichte erzählen», erklärt der Parfümeur, «jede Nuance spielt eine andere Rolle. Man achtet auf Kontraste – wo liegt das Drama?» Das Drama – der Kontrast – liegt zum Beispiel zwischen Ingwer und Ambra, zwischen Schokolade und Sandelholz. Vanille und Leder hingegen schaffen eine Harmonie. Manchmal ist die Dissonanz reizvoll, manchmal scheusslich.

«Man macht mehr Fehler, als man Erfolge hat. Die Arbeit ist leider gar nicht romantisch, sondern hart und ausdauernd», sagt Micotti. Ein Grossteil der Arbeit geschieht auf Papier, manche Zutaten sind zu kostbar und selten, um wild mit ihnen zu experimentieren. Woran aber merkt er, wann ein Duft «fertig» ist? «Das ist unterschiedlich. Wenn ich einen Duft für einen Kunden kreiere, arbeite ich daran so lange, bis dieser zufrieden ist. Wenn ich für mein eigenes Label entwerfe, bin ich fertig, wenn ich kein Produkt mehr entfernen kann, wenn jede Ingredienz eine Rolle spielt.» In Königsfelden wird eine dreiteilige Installation aus Papierstreifen den Duft im Raum verteilen. Wie nun Bach riechen wird, verrät Micotti nicht – vielleicht nach Weihrauch oder doch Puder?

Duft und Klang: 12. August ab 19.30 Uhr, 14. August ab 11 Uhr. Klosterkirche Königsfelden