Er ist langbeinig, hat einen Schmollmund, lange, blonde Haare und Wangenknochen, für die unsereins töten würde. Andrej Pejic ist das Model des Moments - weil er schöner ist als jede Frau?
In Fashionblogs werden Andrej Pejics physiognomische Vorzüge aufs Höchste gelobt. Er sei eine «Mischung zwischen Kate Moss' Body und Cindy Crawfords Gesichtszügen». Und in der Tat sorgt sein Aussehen für Verwirrung: das platinblonde, lange Haar, der filigrane, haarlose Körper, die vollen Lippen - das irritiert. Pejic ist so androgyn, dass er sowohl als Mann als auch als Frau durchgehen kann. In Modemagazinen tut er es auch. Für die Anzeigenkampagne des US-Modeschöpfers Marc Jacobs posiert er als Frau, die neben einem «echten» weiblichen Model posiert. Und sieht dabei weiblicher aus als seine Modelpartnerin Jana Knauerova. Auch auf dem Laufsteg, zum Beispiel bei jean-Paul Gaultier, dem französischen Modeschöpfer, der Andrej als erster im vergangenen Juni über den Laufsteg schickte, verblüffet der blonde Mann als kurviges Model in der Pelzrobe - dem Brautkleid. In der französischen «Vogue», der Kultbibel von Fashionistas, wurde ihm daraufhin eine eigene Strecke gewidmet - mit Pariser Chic à la Rive Gauche.
Und dann fragte sich die Modewelt: Wer ist das blonde Model?
In den USA (und nicht nur dort) ist man irritiert. Wie kann ein Mann so feminin sein? Um das Phänomen zu ergründen, wurde flugs ein neuer Begriff kreiert: «Femiman». So werden Models genannt, die zwar biologisch männlich sind, aber in dieser Männlichkeit gleichtzeitig so weiblich, dass sie mindestens als androgyn durchgehen können. Und vielleicht ist Andrej ja auch schöner, als eine Frau es je sein kann. Kantig, knochig, mit hervorstehenden Wangenknochen und sinnlichen Lippen posiert er, als wär er von einem anderen Stern. Und vielleicht ist es diese Weltabgewandtheit, gewürzt mit einer Spur Indifferenz, die die Modedesigner so cool finden. Denn bekanntlich sind deren Ansprüche an die Ästhetik von Models ja so hoch, dass sie von normalen Frauen kaum zu erfüllen sind.
Andrej jedenfalls, der 19 Jahre alte Shooting-Star der Modewelt, scheint ausgesorgt zu haben. Als Kind flüchtete er von Tuzla, Bosnien, mit seinen Eltern nach Australien. Heute ist er dauerausgebucht. Nicht nur Marc Jacobs, Gucci und Gaultier engagierten ihn für seine Kampagnen, auch Raf Simons und Paul Smith haben es auf ihn abgesehen. Er selbst scheint das Spiel mit den Geschlechtergrenzen zu mögen. Der Zeitschrift «Womens Wear Daily» sagte er, ganz marktbewusst: «Ich würde dabei nicht mitmachen, wenn ich es selbst nicht mögen würde.»