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Kultur
Horst Evers, Bestsellerautor, Kabarettist und Radiokolumnist, nimmt sich und Deutschland auf den Arm. Nie boshaft, aber zielgenau legt er den Finger in die Absurditäten der Gegenwart. Sein neues Buch «Wer alles weiss, hat keine Ahnung» ist ein grosses Vergnügen.
Er schaut ja gemütlich drein, der Horst Evers: rundlich, glatzköpfig – ein Musterknabe der Gemütlichkeit. Ein bisschen wie Papa Moll. Das hat schon was, denn auch die Erzähler in seinen Geschichten werden übertölpelt oder verstört, kommen mit viel Selbstironie weder mit der modernen Erziehung noch mit der künstlichen Intelligenz zurecht, geraten andauernd in groteske Situationen und schauen mit Kopfschütteln auf die AfD und den Waffenexport, karikieren Verschwörungstheoretiker und neoliberale Wirtschaftspolitiker. Wer allerdings nur noch über beinharte Politsatire lachen kann, kauft dieses Buch wohl eher nicht. Was man bedauern muss, denn Evers ist einer der lustigsten deutschen Comedians.
Boshaft sind seine Texte nie, aber in ihrer Schrulligkeit loten sie immer wieder zielgenau die Absurditäten unserer Gegenwart aus. Die spielerische Humorpalette fängt bei albernen Wortspielen an: «Die Kanzlerin hat gesagt, wir sollen Ruhe bewahren und keine Hamster kaufen.» Dann zieht er einen lakonisch-bissigen Vergleich der eigenen Erziehungsinkonsequenz mit der Praxis der Waffenexporte: «Also im Prinzip kann man sagen, ich erziehe meine Tochter so, wie das Wirtschaftsministerium die Rüstungsexporte kontrolliert. Absolut streng, gemäss allen ethischen Vorgaben. Es sei denn, jemand will was kaufen. Dann muss man den Einzelfall prüfen» - wobei beide natürlich immer nachgeben.
Zum Besten gehören die Geschichten zur künstlichen Intelligenz. Da verbindet sich eine hohe Pointendichte mit fabelhafter Dialogstärke und subtilem Spott. Man lacht sehr viel und spürt die Widerhaken dann doch immerzu. Im absurden Gespräch mit dem überheblichen Google-Sprachautomaten beweist Evers sich zudem als subtiler Kommunikationsbeobachter. Und dass Evers in Berlin lebt, merkt man bald: Vielleicht ein Klischee, aber der schnoddrige Sarkasmus seiner Figuren macht Spass – die sind nie um einen Spruch verlegen.
Eine versöhnlich-kuriose Kulturgeschichte des deutschen Alltags der letzten vierzig Jahre legt Evers hier vor, in Kurzgeschichten, Tagebucheinträgen zur Coronakrise und einem Rückblick auf dreizehn Jobs und Praktika, über die er mit Kopfschütteln zurückblickt. Absurd etwa, wie er als Jungschriftsteller in einer Kaufhaushalle vorlesen muss, Hähncheneingeweide mit dem Staubsauger entfernt oder neue Berliner Redensarten für Speisekarten erfindet.
Der heiter-spöttische Blick auf Deutschland wirkt wohltuend. Da wird die atemlose Gentrifizierung in Berlin genauso veräppelt wie die kreative Nothilfe von Gewerblern: So landet eine traditionelle Landmetzgerei mit veganfreier Wurst einen Verkaufshit, die Metzgerin erfindet gleichzeitig einen Schnitzelhalter fürs Armaturenbrett. Das ist nur eine der zahlreichen schrulligen Pointen. Bilanz: alles sehr vergnüglich und eine heitere Wohltat in bedrückten Coronazeiten.