Donald
Ein bisschen Donald steckt in jedem

Donald Duck hat Geschichte geschrieben. Jetzt ist die miesepetrige Ente 75 Jahre alt. Es gibt gute Gründe, weshalb Donald die wohl beliebteste Comic-Figur aller Zeiten ist.

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Donald Duck

Donald Duck

Keystone

Robert Knobel

Donald Duck kämpfte sogar gegen die Nazis

1934 Donald Duck hat seinen ersten Auftritt im Zeichentrickfilm «The Wise Little Hen». Erfunden wurde die Figur vom amerikanischen Zeichner Al Taliaferro (1905-1969). Bald tritt Donald regelmässig in den «Silly Symphonies» auf, Zeichentrickfilmen und kurzen Comic-Strips in US-Zeitungen.
1935 Der erste Trickfilm mit Donald Duck kommt in die deutschen Kinos. Obwohl Hitler heimlich Micky-Maus-Filme schaute, gab es keine weiteren Disney-Importe nach Nazi-Deutschland.
1936 In der neutralen Schweiz erscheint die erste Ausgabe der «Micky-Maus-Zeitung», unter anderem mit Geschichten von Donald Duck, der dort «Schnatterich» genannt wird.
1937 Donalds Neffen Tick, Trick und Track sowie seine Verlobte Daisy kommen erstmals in einem Comic-Strip vor. Sein Onkel Dagobert wird erst 10 Jahre später erfunden.
1943 Donald Duck wird für die Propaganda gegen das Dritte Reich eingesetzt. Die Nazi-Persiflage «Der Fuehrer's Face» erhält einen Oscar.
1951 Donalds Geschichten sind im neuen «Micky-Maus-Magazin» nun regelmässig auf Deutsch zu lesen.
1966 Die legendären Donald-Zeichner Al Taliaferro und Carl Barks treten ab und machen einer neuen Zeichnergeneration Platz.
1969 Donald erhält mit «Phantomias» ein Alter Ego.
2004 Donald erhält einen Stern auf dem «Walk of Fame» in Los Angeles.
2009 Inzwischen gibt es allein auf Deutsch fast 9000 Donald-Geschichten. (RK)

Vor genau 50 Jahren erschien der siebenminütige Zeichentrickfilm «The Wise Little Hen». Mit dabei war ein gewisser Donald Duck - ein Faulpelz, der auf einem alten Hausboot wohnt und sich vor der Maisernte drücken will. Damals flatterten Donalds Arme noch wie Flügel, und er brachte nur unverständliche Quaklaute heraus. In den darauf folgenden 75 Jahren hat er nicht nur sprechen gelernt, sondern auch einen beispiellosen Siegeszug durch die Comic-Welt angetreten.

Donald, die berühmteste Ente der Welt. Doch heute erinnern höchstens noch sein Nachname und der prägnante Schnabel an seine biologische Zugehörigkeit. Ansonsten hat Donald durch und durch menschliche Züge angenommen. Kein anderer Bewohner Entenhausens - und wohl auch keine andere Comic-Figur überhaupt - hat ein derart detailliertes Persönlichkeitsprofil entwickelt. Wer seine Geschichten regelmässig liest, kennt Donald schnell einmal besser als den eigenen Onkel. Was wissen wir nicht alles über ihn: Er neigt zu Jähzorn und Selbstüberschätzung; was er anpackt, misslingt meistens. Er hasst Sozialarbeiterinnen und Schuldeneintreiber. Für seine «Mannschaft des Herzens», den 1. FC Entenhausen, lässt er schon mal seine Daisy sitzen. Und wenn er nicht gerade in der Margarinefabrik schuftet, poliert er die Goldtaler seines ebenso reichen wie geizigen Onkels Dagobert - für 30 Kreuzer die Stunde.

Donald, das ewige Opfer. Immer wieder von neuem schafft es sein skrupelloser Onkel, Donalds Geldnot auszunützen, ihn über den Tisch zu ziehen. Vielleicht ist es das, was uns Donald so sympathisch macht. Fühlen wir uns nicht alle manchmal ungerecht behandelt, zu kurz gekommen in einer Welt, die von Reichen und Mächtigen beherrscht wird? Deshalb lieben wir Donald mehr als seinen schnösligen Vetter Gustav, der sich seinen Lebensunterhalt mit Wettbewerbsgewinnen verdient. Und auch mehr als den tugendhaften Langweiler Micky Maus, dem fast alle menschlichen Schwächen und Laster fremd sind.

In seiner Komplexität kommt Donalds Persönlichkeit derjenigen einer realen Person erstaunlich nahe. Kein Wunder, ist Entenhausen für eingefleischte Fans eine Art Paralleluniversum geworden, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich in Deutschland ein Verein der Erforschung der Duckschen Lebenswelt widmet? Die «D.O.N.A.L.D» (Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus) forscht etwa über Familienplanung und Sexualpädagogik in Entenhausen oder nimmt das Entenhausener Klima unter die Lupe.

Letzteres ist umso bemerkenswerter, als die Forschungsarbeit von einem Meteorologieprofessor an der Uni Hamburg verfasst wurde: Hans von Storch - sein Name könnte ebenso aus Entenhausen stammen, ist aber echt - ist Begründer des Vereins und hat sein Leben voll und ganz Donald Duck gewidmet. Erst kürzlich ist zudem ein Stadtplan von Entenhausen erschienen, für den die Herausgeber 13 Jahre lang über 6000 Comic-Seiten studiert haben.

Der Stadtplan bringt uns allerdings rasch auf den Boden der Fiktion zurück: Anders als Donalds Charaktereigenschaften folgen die geografischen Angaben in den Comics keinem sinnvollen Schema. So werden nicht weniger als 33 verschiedene Wohnsitze Donalds erwähnt, und sogar der Geldspeicher seines Onkels befindet sich an 20 unterschiedlichen Standorten.

Über solche Ungereimtheiten sehen Fans gerne hinweg. Und in keiner anderen Region der Welt ist Donald populärer als im deutschen Sprachraum. Dies ist zu einem grossen Teil seiner ebenso gepflegten wie eigensinnigen Sprache zu verdanken. Kein Dichter könnte es schöner ausdrücken, wenn Donald etwa beim Geldpolieren für seinen Onkel sinniert, dass «die sanft wischelnden Bewegungen Balsam für mein angeschlagenes Nervenkostüm» seien. Die 2005 verstorbene Übersetzerin Erika Fuchs war Chefredaktorin der «Lustigen Taschenbücher» und prägte Donalds Sprache während über vierzig Jahren. Anders als in den englischen Originalen legte Fuchs grössten Wert auf eine kultivierte Sprache. Ihre Anspielungen auf Goethe- und Schiller-Zitate sind legendär.

Was sich Donald wohl zum Geburtstag wünscht? Seinen verhassten Vetter und Nebenbuhler Gustav ein für alle Mal auszustechen? Oder einmal wie sein Onkel im Geld zu baden? Vielleicht reicht ihm aber auch die 1200 Seiten starke Sonderausgabe der «Lustigen Taschenbücher», die zum Jubiläum erscheint. Ans Aufhören denkt der ewig junge Erpel jedenfalls noch lange nicht. Zwar singt er schon 1951: «Und lieg ich dereinst auf der Bahre, denkt an meine Guitahre und gebt sie mir mit in mein Grab.» Allzu wörtlich sind diese Zeilen wohl aber nicht zu verstehen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, lieber Donald, und alles Gute für die nächsten 75 Jahre.

TV-Tipp Donald Duck geht in die Luft. Mit vielen legendären Donald-Trickfilmen. Freitag, 20.15 Uhr, Super-RTL.
DVD-Collection Donald im Wandel der Zeit 1-3. Je 2 DVDs. Disney.