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Der neue Krimi von Wolf Haas: Auch als Edel-Penner ist der Brenner ein scharfsinniger Ermittler

Wolf Haas gelingt im neuen Krimi «Müll» der Spagat zwischen schrägem Witz und berührender Ernsthaftigkeit.

Arno Renggli
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Ermittler Simon Brenner, hier in einer Verfilmung gespielt von Josef Hader.

Ermittler Simon Brenner, hier in einer Verfilmung gespielt von Josef Hader.

Bilder: PD

Leicht macht es einem der österreichische Kultautor Wolf Haas auch in seinem neunten Krimi um Detektiv Brenner nicht. Die Sprache lässt systematisch Satzteile weg, woran man sich bei jedem Buch wieder von Neuem gewöhnen muss. Der Erzähler wiederum ist eine unsichtbare Figur, die kommentiert, reflektiert und in «den Brenner» hineinschaut. Dergestalt, dass man den Eindruck hat, es handle sich um ein Alter Ego des Helden. Oder ist es gar der liebe Gott persönlich, der Brenners Treiben mit einer Mischung von Amüsiertheit und Mitgefühl verfolgt?

Brenner ist inzwischen gar kein Detektiv mehr, sondern arbeitet auf einer Abfallsammel- und -sortierstelle. Dort hat alles seine strikte Ordnung; jedes Ding muss in den richtigen Container.

Leiche sorgt für Unordnung auf dem Müllsortierplatz

Diese Ordnung ist dahin, als in einem Behälter ein menschliches Knie aufgetaucht. In weiteren Containern verstreut, und daher total ordnungswidrig, finden sich die übrigen Teile der Leiche. Nur das Herz fehlt.

Die Polizei tritt auf den Plan und ist überfordert, obschon es schnell Verdächtige gibt. Etwa die Ehefrau des Zerstückelten. Oder ein ebenso betörendes wie kurzsichtiges Girl, das auf der Sammelstelle auftaucht und diversen Mitarbeitern den Kopf verdreht. Und da gibt es noch ein dubioses Transportunternehmen mit seinem übermässig jovialen Chef. Dass einer der ermittelnden Polizisten mal Brenners Untergebener zu dessen Kripozeit war, macht es ihnen nicht einfacher. Zumal dieser zwar nun Müllsortierer ist, aber den kriminalistischen Spürsinn und Ehrgeiz nicht verloren hat.

Der Brenner forscht also nach. Indes muss er sich erst aus einer Bettfesselung befreien. Das kam so: Brenner wohnt derzeit nicht wirklich, sondern nächtigt als «Bettgeher» in fremden Wohnungen, die von ihren rechtmässigen Belegern vorübergehend etwa zwecks Ferien verlassen worden sind. Wobei es sich Brenner in möglichst vornehmen Wohnungen gut gehen lässt. Und er gibt auch gleich Tipps, wie sich diese Lebensform am besten realisieren lässt.

Wolf Haas (61).

Wolf Haas (61).

Was natürlich nicht ganz ernst zu nehmen und vor allem nicht unfehlbar ist: Denn eines Morgens findet sich Brenner eben gefesselt im okkupierten Bett, weil die Wohnungsbesitzerin nach einem Ehekrach vorzeitig aus den Ferien heimgekehrt ist. Nun zieht sie in Erwägung, am Brenner mit Hilfe von Küchengerätschaften Selbstjustiz zu vollziehen.

Man merkt: Das ist ja eine richtige Krimistory

Die Episode von Brenner als ertappten Wohnungsokkupierer ist typisch für den Reichtum an schrägem Humor in der Geschichte von Wolf Haas. Und hat mal sich mal an die reduzierte Sprache gewöhnt, geniesst man schnell den auch ihr innewohnenden Reichtum an Gedanken und trefflicher Beobachtungen. Man wird dabei so gut unterhalten, dass man erst mit der Zeit bemerkt: Da ist ja tatsächlich ein richtiger und durchaus auch komplexer Krimiplot, der zunehmend furios und auch mit Action einer tadellosen Auflösung entgegensteuert.

Es geht um Organhandel; dabei auch um die gerade in der Schweiz aktuell diskutierte Widerspruchslösung. Wobei die kriminelle Energie hinter den Taten auch durch persönliche Tragödien motiviert worden ist. Und deshalb die Geschichte bei allem Witz und der schrägen Erzählweise durchaus berührt.

Wolf Haas: Müll. Hoffmann & Campe, 288 S.

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