Der verblüffende Triumphzug des Emmanuel Macron geht auch bei den Parlamentswahlen weiter. Frankreichs Politlandschaft wird von der erst ein Jahr alten Bewegung «en Marche» völlig umgepflügt. Das Geheimnis dieses Erfolgs liegt letztlich im tiefsitzenden Paradox Frankreichs, das Macron aufzulösen vermochte: Der erst 39-Jährige vereinte die revolutionäre wie die monarchistische Ader der Nation. Den Volkszorn über die etablierten Parteien leitete er seit Monaten geschickt auf seine eigenen Mühlen. Eine Revolution ist da im Gang oder – auf Französisch – «en marche».
Der Jungpräsident weiss: Die Franzosen wollen eine starke Staatsführung. Deshalb blickten sie im Parlamentswahlkampf auch grosszügig über die bereits aufgeplatzten Finanzaffären des Macron-Lagers hinweg. Doch wehe, wenn der Präsident die Erwartungen längerfristig enttäuschen sollte. Dann kann sich der Volkszorn rasch gegen ihn wenden. Vor allem seine Mission, Frankreich wieder auf Kurs zu bringen, ist höchst diffizil: Die Franzosen wählen zwar gerne Reformer, verweigern dann aber deren konkrete Reformen.
Das ist der Kern des Problems: Wenn diese Reformen ausbleiben, wird auch die französische Wirtschaft am Boden bleiben. Und wenn sich Frankreich in den nächsten fünf Jahren nicht wieder aufrichtet, wäre bei den nächsten Präsidentschaftswahlen wohl kein Kraut mehr gegen Marine Le Pen gewachsen. Macron hat deshalb keine andere Wahl, als zu reüssieren – für Frankreich, für Europa. Die Revolution von Emmanuel I. darf nicht auf halbem Weg steckenbleiben.
Macron gibt seine Stimme in Le Touquet am Ärmelkanal ab.
© CHRISTOPHE PETIT-TESSON
Macron bei der Wahl mit seiner Frau Brigitte. Sein Partei «La République en Marche!» gilt als Favorit.
© CHRISTOPHE PETIT-TESSON