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Der Energiekonzern Anadarko muss Entschädigung für Umweltschäden zahlen, die beim Uranabbau im Monument Valley entstanden. Der Stammespräsident der Navajo-Indianer sagt aber, das Geld «reiche bei weitem nicht aus».
Die Szenerie ist schlicht atemberaubend: Das Monument Valley, an der Grenze der Bundesstaaten Arizona und Utah gelegen, verzaubert mit seinen rötlich schimmernden Sandstein-Formationen seit Jahrzehnten Touristen aus nah und fern. 378 000 Menschen besuchten im vergangenen Jahr den Park mit den ikonischen Tafelbergen, der sich im Besitz des Indianerstamms Navajo Nation befindet und Erinnerungen an die klassischen Western mit John Wayne weckt, die hier gedreht wurden.
Die wenigsten Touristen sind sich aber bewusst, dass das Monument Valley auch für eines der traurigsten Kapitel in der Geschichte der Navajos steht: 1942 begann in unmittelbarer Nähe des noch heute bestehenden Handelspostens Goulding's der kommerzielle Abbau von Uranmineralen. «Yellow Dirt», gelber Dreck, nannten die amerikanischen Ureinwohner das radioaktive Metall, das in ihrem weitläufigen Reservat (fast 70 000 Quadratkilometer) reichhaltig vorhanden ist.
Aus Verantwortungsgefühl gaben die Navajos im Zweiten Weltkrieg ihr Einverständnis zum Bau von letztlich mehr als 500 Minen. Amerika benötigte das Uran, um im Kampf gegen die Nazis und später die Kommunisten die Überhand zu gewinnen. Als die Arbeiten in den 1980er-Jahren gestoppt wurden, hatten private Unternehmen im Auftrag der Regierung rund vier Millionen Tonnen des kostbaren Metalls ausgebeutet. Unter den grossen Profiteuren befand sich auch die 2006 untergegangene Bergbaufirma Kerr-McGee.
Teurer Patriotismus
Die Ureinwohner aber bezahlten einen hohen Preis für ihren Patriotismus. Minenarbeiter waren Radondämpfen ausgesetzt. Sie und ihre Nachfahren leiden deshalb überproportional an Krebs und Geburtsdefekten. Und immer noch gelten die Siedlungsgebiete in der Nähe der ausgedienten Uran-Minen als weitgehend unbewohnbar. Weil Häuser aus radioaktiv durchsetztem Baumaterial erstellt wurden und Winde den giftigen Staub durch sämtliche Ritzen bliesen.
Dies verschärft die harten Lebensbedingungen, die im Reservat herrschen. Selbst heute konsumieren Tausende von Navajos Trinkwasser, das aus verschmutzten Quellen stammt, sagt die nationale Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency).
Dokumentarfilm brachte die Wende
Bekannt sind diese Probleme bereits seit den 1960er-Jahren. Die breite Öffentlichkeit interessierte sich aber lange nicht dafür. Erst ein Dokumentarfilm («The return of Navajo boy», 2000) und eine Artikelserie der Journalistin Judy Pasternak, 2007 in der «Los Angeles Times» publiziert, brachten eine Wende. Angetrieben durch einen Ausschuss des nationalen Parlaments machten sich sechs Abteilungen der Regierung in Washington an die Arbeit und legten einen Fünfjahresplan vor.
Seither ist tatsächlich viel geschehen. Stolz verkündet die EPA in ihrem jüngsten «Fortschrittsbericht», dass mittlerweile fast alle ehemaligen Minen lokalisiert worden seien. 300 wiesen auch Jahre nach dem Ende der Abbauarbeiten eine Strahlenbelastung auf, die sich innert Minutenfrist schädlich auf die menschliche Gesundheit auswirken könnte. In einem nächsten Schritt gelte es nun, diese Abbaustätten zu sichern und zu reinigen.
Damit harzt es aber noch. Die «New York Times» berichtete Anfang 2012 von einer aufgegebenen Mine in Cameron (Arizona) - wenige Meilen vom Grand Canyon entfernt -, die eine erhöhte Strahlenbelastung aufwies, aber keine Warnschilder. Deshalb graste ganz in der Nähe Rindvieh; leere Bierdosen und Patronenhülsen zeugten zudem davon, dass die Lokalität in einen «giftigen Spielplatz» verwandelt worden sei, schrieb die «Times»-Reporterin.
«Würde eine solche radioaktive Belastung in einer Mittelklasse-Vorstadt gefunden, dann reagierten die Behörden umgehend und aggressiv», empörte sich Doug Brugge, ein Medizinprofessor der Tufts University in Boston (Massachusetts).
Mit ein Grund für dieses schleppende Vorgehen: fehlende Geldmittel. Viele Bergbauunternehmen weigern sich, freiwillig für den angerichteten Schaden geradezustehen. Umso wichtiger deshalb der aussergerichtliche Vergleich, der in Washington präsentiert wurde: Darin willigte das Energieunternehmen Anadarko Petroleum, das 2006 Kerr-McGee übernommen hatte, in die Bezahlung von mehr als fünf Milliarden Dollar ein. Rund ein Fünftel dieses Geldes soll dazu verwendet werden, Umweltschäden auf dem Gebiet der Navajo Nation zu beseitigen: die Rede ist von rund 50 Minen.
«Bei weitem nicht genug»
In einer ersten Stellungnahme bezeichnete Stephen Etsitty, Vorsteher der Umweltbehörde der Navajo-Regierung, den Vergleich als «historisch»: Die Ureinwohner hätten schon lange auf diese finanzielle Hilfe gewartet. Kritischer äusserte sich Stammespräsident Ben Shelly. Er begrüsse zwar die aussergerichtliche Einigung, aber das Geld reiche «bei weitem nicht aus, all unsere Bedenken anzusprechen».