Im russischen Fernsehen drohen die TV-Moderatoren mittlerweile offen mit einem Krieg in den Nato-Ländern. Die folgenden sieben Beispiele zeigen, dass die Kriegspropaganda in Russland auf Hochtouren läuft.
«Um Ukrainer zu töten, braucht Putin unbedingt die Unterstützung des Krieges innerhalb Russlands», schrieb der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny kürzlich auf Twitter. Kritische Stimmen lässt der russische Präsident deswegen nicht mehr zu. «Russland hat in nur anderthalb Monaten alle unabhängigen Medien, auch die eher zurückhaltenden, abgeschaltet und blockiert», konstatierte der inhaftierte Nawalny.
Kremlkritische Medien wie die Zeitung «Nowaja Gaseta» oder der Radiosender «Echo Moskwy» mussten ihren Betrieb einstellen. Übrig bleiben Propaganda-Kanäle, die nach Putins Pfeife tanzen. Für Meinungsvielfalt bleibt nicht mehr viel Platz, wie das Beispiel von Michael Wasiura zeigt.
«Die Experten, die nicht als Cheerleader für Wladimir Putin auftreten, werden nicht mehr in die TV-Shows eingeladen.»
Wasiura, ein amerikanischer Journalist, wurde früher oft in russische Talk-Shows eingeladen. Er sei eine Art «Box-Sack» gewesen, an dem sich die russischen Experten mit ihren anti-amerikanischen Ansichten abarbeiten konnten, sagte Wasiura in einem Interview mit dem Fernsehsender MSNBC. Aber er habe auch andere Ansichten vertreten können.
Nun sei er im russischen Staatsfernsehen nicht mehr willkommen. Anderen Experten, die von der Linie des Kremls abweichen würden, gehe es ähnlich: «Die Experten, die nicht als Cheerleader für Wladimir Putin auftreten, werden nicht mehr in die TV-Shows eingeladen», so Wasiura.
Was die Russinnen und Russen zu sehen bekommen, wenn sie das Staatsfernsehen einschalten, hat Journalistin Julia Davis in den vergangenen Wochen dokumentiert. Nachfolgend sieben Beispiele:
«Wladimir Solowjow ist vielleicht der energischste Kreml-Propagandist der Gegenwart», schreibt das US-Aussenministerium. Solowjow ist ein bekannter TV-Moderator, Journalist und Autor. Er ist gemäss US-Aussenministerium sehr aktiv auf Social Media und betreibt nicht weniger als 17 Telegram-Kanäle.
Im russischen Staatsfernsehen sprach Solowjow nun eine deutliche Drohung in Richtung Europa und Nato aus. Die «militärische Spezial-Operation» in der Ukraine sei in eine neue Phase getreten, so Solojow. Man kämpfe jetzt gegen Waffen und Menschen aus den Nato-Ländern. Dann sagte er:
«Wenn diese Operation zu Ende ist, muss sich die Nato fragen: Haben wir, was es braucht, um uns selbst zu verteidigen? Haben wir die Leute, um uns selber zu verteidigen? Es wird keine Gnade geben. Nicht nur die Ukraine muss denazifiziert werden. Der Krieg gegen Europa und die Welt nimmt immer konkretere Konturen an, was bedeutet, dass wir anders und härter handeln müssen.»
Meanwhile on Russian state TV: host Vladimir Solovyov threatens Europe and all NATO countries, asking whether they will have enough weapons and people to defend themselves once Russia's "special operation" in Ukraine comes to an end. Solovyov adds: "There will be no mercy." pic.twitter.com/fCN3vfZy4N
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 20, 2022
Solowjow ist bei Weitem nicht der Einzige, der im russischen Fernsehen, die Kriegstrommel rührt. Da wäre etwa Wjatscheslaw Nikonow, der von einem «Heiligen Krieg» spricht. Er ist ein russischer Politiker und gehört seit 1993 der Duma an. Vergangene Woche trat er im Fernsehen auf und sagte:
«Das ist ein Kampf zwischen Gut und Böse. Wir sind auf der Seite des Guten. Gegen die Kräfte des absolut Bösen, das durch die ukrainischen Nazi-Bataillone verkörpert wird.»
Sogar der satanistische Tempel von Salem in Massachusetts unterstütze die Ukraine, so Nikonow. «Wir führen wirklich einen Heiligen Krieg und wir müssen ihn gewinnen.»
Deputy of the State Duma Vyacheslav Nikonov (a grandson of Vyacheslav Molotov) claimed: “In the modern world, we are the embodiment of the forces of good. This is a metaphysical clash between the forces of good and evil... This is truly a holy war we're waging and we must win.” pic.twitter.com/B8C7ILH1O8
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 17, 2022
Ein Experte wagte es, zu hinterfragen, weshalb der Krieg in der Ukraine so lange dauert. Die Chefin des Senders «Russia Today», Margarita Simonyan, entgegnete ihm:
«Wir führen einen Krieg gegen die Nato. Wir bekämpfen einen riesigen, bewaffneten Gegner. Vielleicht ist es nicht so einfach für Russland, die ganze Nato dort zu bekämpfen. Es muss objektive Gründe geben, weshalb wir bis jetzt noch nicht gewonnen haben.»
Man müsse den Oberbefehlshaber unterstützen und sich nicht beschweren, so Simonyan. Darauf erwiderte der zuvor kritische Experte nur noch: «Ich habe mich nicht beschwert! Ich habe mich nicht beschwert! Es ist sehr wichtig: Ich habe mich nicht beschwert!»
Simonyan fuhr darauf mit der Argumentation fort, dass Russland die ganze Nato bekämpfe: «Das ist ein Test für uns, wie keine andere Prüfung in unserem Leben zuvor.»
Watch what happens when one pundit on Russian state TV tries to ask why it's taking so long for Russia to win in Ukraine: head of RT Margarita Simonyan nearly pecks his head off, as she argues that Russia is fighting NATO in Ukraine. He quickly backs down: "I didn't complain!" pic.twitter.com/4wBMSn8nZl
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 16, 2022
Vor rund einer Woche sank das russische Kriegsschiff «Moskwa». Die Reaktionen auf dem staatlichen Fernsehsender «Rossija 1» fielen heftig aus. Moderatorin Olga Skabejewa sagte Folgendes:
«Die russische Spezial-Operation ist bereits zum dritten Weltkrieg geworden. Das ist absolut richtig. Momentan kämpfen wir, wenn nicht gegen die Nato selber, mit Sicherheit gegen die Infrastruktur der Nato. Das sollten alle verstehen. Wir kämpfen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie liefern Waffen 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.»
Ein eingeladener «Experte» konnte sich kaum im Zaum halten. Der Abschuss der Moskwa sei ein hundertprozentiger Kriegsgrund, wetterte er. Es brauche dringend eine entschiedene Antwort darauf. Als Videos von westlichen Regierungsmitgliedern in Kiew abgespielt wurden, meinte er:
«Wir sollten Kiew bombardieren. Dann würden sie nicht mehr kommen. [...] Es gibt nur einen Weg, zu antworten. Wir müssen sie bombardieren, das ist es.»
Kyiv sank 'Moscow' and the Russians are furious. In response to the sinking of the warship 'Moskva,' state TV pundits and hosts propose bombing Kyiv, destroying Ukraine's railways and making it impossible for any world leaders to visit in the future. pic.twitter.com/OekII2fbPe
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 15, 2022
Anfang April veröffentlichte die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti einen Artikel, in dem der Ukraine jegliches Existenzrecht abgesprochen wurde. Der Autor des Artikels, Timofey Sergeytsev, steht mit dieser radikalen Ansicht nicht alleine da.
Man müsse die Vorstellung, dass man Ukrainer sein könne, komplett auslöschen, forderte ein «Experte» auf «Rossija 1». Weiter sagte er:
«Diese Vorstellung muss von Anfang bis Ende ausgelöscht werden. Es vergiftet das Leben slawischer Menschen seit 100 Jahren.»
In Wahrheit handle es sich bei den Ukrainern um Russen, so der «Experte». Man müsse diese umerziehen, doch zuerst müsse man sie «überzeugend besiegen».
More genocidal talk on Russian state TV: pundit agrees that Putin's goal is to erase the very idea of being a Ukrainian. He finds even the name, "Ukrainians," to be an insult and sees no reason for that entire nation or nationality to exist outside of "Russian" identity. pic.twitter.com/ev0qWQV2Zf
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 15, 2022
Simonyan, die Chefin von «Russia Today», schwärmte Mitte April von der Sowjetunion. Damals sei sie «stolz» gewesen, man müsse an diese Zeiten anknüpfen. Die politische Kultur müsse geändert werden, jetzt sei der Wendepunkt gekommen. Dafür müsse der Satz «Zensur ist verboten» aus der russischen Verfassung gestrichen werden. Zensur ist gemäss Simonyan ein probates Instrument. Sie sagte:
«Keine grosse Nation kann ohne Kontrolle über die Information existieren.»
Früher hätten die Putin-Propagandisten immer versucht, ihn zu überzeugen, dass Russland eine Demokratie sei, twitterte Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland. «Nicht mehr. Heute verteidigen und feiern sie die Diktatur.»
When I was U.S ambassador to Russia, @M_Simonyan & other Putin propagandists tried to convince us & their citizens that Russia was a democracy. No longer. Today, they openly defend & celebrate dictatorship. Listen: https://t.co/klokNfrHWQ
— Michael McFaul (@McFaul) April 14, 2022
Zum Schluss noch einmal Solowjow. Der russische TV-Star behauptet vor etwa zwei Wochen fälschlicherweise, dass der ukrainische Präsident kein Jude sei. Er verfluchte Wolodimir Selenski mit seltsamer Stimme und sagte:
«Du bist kein Jude. Du bist kein Gläubiger. Du bist der pure, billige Teufel. Du bist der Teufel. Und deine Sklaven sind kleine Teufel. Du musst gejagt werden, mit dir sollte man nicht verhandeln. Du hast den russisch-orthodoxen Kriegern gezeigt, dass sie nicht nur Nazis bekämpfen, sondern Teufel.»
Meanwhile on Russian state TV: along with losing his Italian villas to sanctions, state TV host Vladimir Solovyov seems to have lost his mind. This messaging—portraying Ukrainians as "satanic Nazis" and claiming Zelensky is not a Jew—is commonplace on Kremlin-controlled state TV. pic.twitter.com/KbdQvIXVSL
— Julia Davis (@JuliaDavisNews) April 9, 2022
Noch selten in der jüngeren Geschichte waren Dinge so klar und eindeutig wie sie im Moment in der Ukraine und in Russland sind. Man muss nicht «differenzieren» oder in Grauzonen denken. Russland führt in der Ukraine einen brutalen Angriffs- und Vernichtungskrieg. Der russische Präsident wird von der grossen Mehrheit in Russland unterstützt. Dass Putin von der russischen Bevölkerung gestürzt wird, ist Wunschdenken. Die russische Armee vergewaltigt und tötet in der Ukraine Zivilsten. Internationale Abkommen und Gerichtsbarkeiten haben für Russland keine Bedeutung mehr (das sagte der Kremlsprecher auch neulich in einem Interview). Russland ist kein Partner mehr, welchem vertraut werden kann. Putin war und ist ein notorischer Lügner und wird seine Ziele ungeachtet der Verluste in der Ukraine und im eigenen Land verfolgen. Die westlichen Länder Europas sind immer noch viel zu zurückhaltend und zu zögerlich. Denn: Putin wird nicht durch Stärke provoziert, sondern durch Schwäche. Die Sanktionen müssen noch viel weiter gehen, inklusive einem vollständigen Embargo von russischem Öl und Gas und inklusive dem Verbot des Handels von diesen Rohstoffen. Wir sind bereits im Krieg mit Russland, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Putin wird auch nicht zögern, andere Länder anzugreifen. Die Brücken zum Westen hat er bereits alle abgebrochen.
Bin absolut einverstanden, wehret den Anfängen. Vielleicht hätte man Hitler zur rechten Zeit mit einer konsequenten Antwort auch noch stoppen können. Was ich das tragischste finde, ist die Tatsache, dass es auch bei uns Menschen gibt, die rumlaufen und behaupten Putin hätte gar keine andere Wahl gehabt und die USA/Nato sei eigentlich an allem Schuld. Dass die Menschen in Russland nichts anderes denken können, wenn sie schon im Kindergarten einer Gehirnwäsche unterzogen werden kann ich noch nachvollziehen. Aber dass es auch bei uns Menschen gibt, die trotz der doch erdrückenden Beweislast und freier Information zu einem anderen Schluss kommen ist mir ein Rätsel. Darauf angesprochen hiesst es dann nur man sei erfolgreich von der westlichen Propaganda indoktriniert worden und die westlichen Medien lügen nur noch. Es sind dann die Querdenker, die schon gegen Corona demonstiert haben. Dass Sie bei einem solchen Verhalten in Russland sofort im Knast landen würden bedenken diese Leute aber leider nicht.