Trockenheit
Die Dürre in Italien wird immer dramatischer: Warum jetzt ein Streit um das Wasser des Gardasees entbrannt ist

Das Land ächzt unter einer Rekord-Dürre – und Regen ist nirgendwo in Sicht. Die Pegel der grossen Seen sinken rasant.

Dominik Straub, Rom
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Nur noch ein Rinnsal: Der Po nahe Turin ist mehr Pfütze als reissender Strom. Die Dürre in Italien nimmt dramatische Ausmasse an.

Nur noch ein Rinnsal: Der Po nahe Turin ist mehr Pfütze als reissender Strom. Die Dürre in Italien nimmt dramatische Ausmasse an.

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Auf den ersten Blick ist am Gardasee nichts von der landesweiten Dürre-Krise zu bemerken: Auf dem flächenmässig grössten See Italiens kreuzen Segelboote, Windsurfer und Touristendampfer, in den Badeanstalten der Ferienorte erfrischen sich Einheimische und Touristen bei strahlendem Sonnenschein mit einem Sprung ins Wasser.

Doch die Ferienidylle trügt: Um das Wasser des Sees ist hinter den Kulissen ein erbitterter Streit um die Abflussmenge entbrannt. Denn mit 50 Kubikkilometern Fassungsvermögen ist der Gardasee zugleich auch das grösste Wasserreservoir Oberitaliens. Und sein Wasser wird in der aktuellen Dürre so dringend gebraucht wie noch nie.

Seit 110 Tagen nicht geregnet

Südlich des Gardasees, in der Po-Ebene, wird die Lage nämlich mit jedem Tag kritischer. Im Piemont hat es seit 110 Tagen nicht mehr geregnet, in der Lombardei, im Veneto und in der Emilia-Romagna sieht es auch nicht viel besser aus. Die Folge: Bei der Messstation von Pontelagoscuro wenige Dutzend Kilometer oberhalb des Po-Deltas flossen am Montag noch 180 Kubikmeter pro Sekunde in Richtung Adria – der grösste Fluss Italiens ist zu einem Rinnsal verkümmert. Weil der Pegel des Po inzwischen tiefer liegt als der Meeresspiegel, fliesst Salzwasser im Flusslauf 21 Kilometer bis ins Landesinnere. Vor einer Woche waren es noch 10 Kilometer gewesen.

Um dem Po, seiner Fauna und den Landwirten, die mit seinem Wasser die Felder bewässern, zu Hilfe zu kommen, hat die Regulierungsbehörde für das Po-Becken bei Peschiera del Garda vor zehn Tagen eine Öffnung der Schleusen angeordnet. Solche Massnahmen sind im nationalen Gesetz für derartige Krisensituationen vorgesehen. Die Erhöhung der Abflussmenge schien vertretbar, da der See immerhin noch zu über 60 Prozent gefüllt ist. In den Seen des Piemonts und der Lombardei ist die Lage weitaus kritischer: Der Lago Maggiore und der Comersee nähern sich ihren historischen Tiefstständen, viele Zuflüsse sind ganz oder beinahe ausgetrocknet.

Der Pegel sinkt bedenklich schnell

Wegen der erhöhten Abflussmenge sinkt jetzt aber auch der Pegel des Gardasees mit bedenklicher Geschwindigkeit – die Anliegergemeinden schlagen Alarm und sagen «basta». «Wir müssen unsere Schifffahrt und die Fische schützen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Bauern rund um den See auch im August noch ihre Kulturen bewässern können», so Pierlucio Ceresa, Geschäftsführer des Gemeindeverbands Garda.

Der See habe zwar noch Reserven, aber dennoch handle es sich um einen der tiefsten Pegelstände der letzten Jahre. Vor allem aber, betont Ceresa, bringe der geplante um 30 Kubikmeter pro Sekunde erhöhte Abfluss dem Po nichts: «Der Fluss bräuchte im jetzigen Zeitpunkt mindestens 500 zusätzliche Kubikmeter pro Sekunde.»

Nur noch wenige Tage kann auch der Lago Maggiore seinen Beitrag leisten: Sein Pegel liegt bereits heute unter dem Wert, bei dem ein erhöhter Abfluss noch vertretbar ist. Die Notmassnahmen sind weitgehend ausgeschöpft – jetzt würde nur noch Regen helfen. Die Wetterprognosen geben aber wenig Anlass zu Optimismus: Für die nächsten mindestens 15 Tage ist weiterhin überdurchschnittlich warmes und trockenes Wetter angesagt. Und die beiden heissesten und trockensten Monate des Jahres, der Juli und der August, stehen erst noch bevor.