Auch Millionen an Euros halfen nichts. In den kommenden Tagen erlässt die EU ein Gesetz, das Google, Facebook und Co. an die Leine nehmen soll. Mittendrin: Der Schweiz-Verantwortliche im EU-Parlament Andreas Schwab.
Hierzulande kennt man den süddeutschen Europaparlamentarier Andreas Schwab vor allem als Chef der Delegation für die Beziehungen zur Schweiz im EU-Parlament. Als solcher gibt der CDU-Politiker gerne auch mal ein kerniges Statement ab. In den letzten Monaten hatte der gelernte Jurist aber kaum Zeit, sich um seine «Herzensangelegenheit» zu kümmern, wie Schwab die Beziehungen zur Schweiz nennt.
Der Grund: In seinen Händen lag eines der brisantesten Dossiers, das gegenwärtig in der Brüsseler Gesetzgebungsmaschine steckt. Es geht um die Regulierung der milliardenschweren US-Techgiganten wie Google, Facebook, Apple oder Amazon. Schon in den kommenden Tagen soll das Gesetz über die digitalen Märkte abgeschlossen werden, kurz «DMA», wie es heisst, das Akronym der englischen Bezeichnung «Digital Market Acts». Die sogenannten «Trialog»-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission befinden sich auf den letzten Metern.
Gerade in dieser Schlussphase zündeten auch Google und Co. nochmals ein Lobby-Feuerwerk, um die entscheidenden Punkte im DMA in ihrem Sinne abzuschwächen. Dazu muss man wissen: Kaum eine andere Branche investiert diesbezüglich mehr in Brüssel als die Silicon-Valley-Firmen. Laut einer Studie des Vereins «Lobby Control» beschäftigten allein die zehn grössten Digitalkonzerne zusammen über 140 Lobbyisten in Brüssel und gaben mehr als 32 Millionen Euro aus.
🚨In Brüssel tobt derzeit eine Lobbyschlacht. Mit Rekordausgaben für Lobbyarbeit wollen Google, Amazon, Facebook & Co strengere Regeln für Internetplattformen verhindern. 🧵(1/7)#PeopleVsBigTech #BreakUpBigTech #DSA #DMA pic.twitter.com/naNefa6oa6
— LobbyControl (@lobbycontrol) August 31, 2021
Dieses Lobbying hat sich in den vergangenen Monate intensiviert. Letzte Woche habe er kurzfristig nochmals ein Last-Minute-Treffen mit Nick Clegg gehabt, dem ehemaligen britischen Vize-Premier, der seit 2018 für Facebook als Lobbyist arbeitet. Laut Schwab ist unter den Techfirmen durchaus eine «hohe Nervosität» spürbar. Man realisiere, dass da ein starkes Instrument geschaffen werde, dessen Einsatz sich direkt auf ihr Geschäftsmodell auswirken werde. Zu den Last-Minute-Anstrengungen sagt Schwab: «Es ist vorbei, das Ding ist durch». Es sei aber eh schon von Anfang klar gewesen, dass man das Ziel, im Digitalmarkt eine «Zeitenwende» herbeizuführen, nicht aus den Augen lassen werde. Egal, wie stark sich die Konzerne dagegen wehren würden.
Konkret sieht der «Digital Markets Act» einen Paradigmenwechsel vor. Anstatt über langwierige Kartellverfahren einzugreifen, wenn der Schaden bereits angerichtet ist, sollen den Internetriesen im Vorneherein klare Leitplanken gesetzt werden. Es geht darum zu verhindern, dass sie ihre Marktmacht missbrauchen und Mitbewerber diskriminieren, wie es zum Beispiel Google mit seinem Shopping-Dienst getan hat, wo eigene Anzeigen zum Nachteil aller anderen die prominentesten Plätze belegt haben. Betreffen soll das Gesetz vorderhand sogenannte «Gatekeeper» («Türsteher»), ab einer Marktkapitalisierung von ungefähr 70 bis 80 Milliarden Dollar und mit hohen Nutzerzahlen. Die genauen Schwellenwerte stehen noch nicht fest und gehören zu den letzten Details, die noch ausverhandelt werden müssen.
Neben den grossen US-Konzernen könnten später auch europäische Firmen wie die Reise-Plattform Booking oder der Musikdienst Spotify betroffen sein. Obwohl in den USA Kritik geäussert wurde, dass die europäische Gesetzgebung auf amerikanische Konzerne zugeschnitten sei und es sich deshalb um eine «Lex USA» handle, liegen Washington und Brüssel in der Sache weitgehend auf einer Linie. Auch die Regierung von Präsident Joe Biden arbeitet an eigenen Tech-Gesetzen, und mit Lina Khan steht sogar eine Beamtin an der Spitze der mächtigen «Federal Trade Commission», welche eine Zerschlagung des Online-Händlers Amazon befürwortet.
Amazon is seeking to force Lina Khan, the new chair of the US Federal Trade Commission, to recuse herself from any investigations involving the company https://t.co/YUTBJ138zz
— Financial Times (@FinancialTimes) June 30, 2021
Für Europaparlamentarier Schwab kommt das Thema Digitalregulierung mit dem Abschluss des Gesetzgebungsprozesses nun aber an sein vorläufiges Ende. Das heisst, dass er ab jetzt auch wieder mehr Zeit hat, um sich um die Schweiz zu kümmern. Hier sieht Schwab einige positive Entwicklungen: Die Vorschläge, die Bundespräsident Ignazio Cassis vor rund einem Monat vorgestellt habe, aber auch die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland, hätten gezeigt, «dass die Schweiz mehr Europa wagen wolle». Schwab: «Das ist gut und wir sind dazu auch bereit und in der Lage».