Die arabischen Golfstaaten reichen dem Assad-Regime die Hand zur Versöhnung und lassen die Opposition – und damit auch Millionen Flüchtlinge – im Stich. Deren Lage wird immer dramatischer.
Mit schweren Regen- und Schneestürmen ist in der Nacht auf Donnerstag der Winter in den Nahen Osten eingezogen. Besonders stark betroffen ist der Libanon, wo Hunderttausende von syrischen Flüchtlingen in Zelten leben, welche in der Regel nur ungenügend isoliert sind. In den Notunterkünften stehen zwar Öfen. Doch Brennstoff können sich die Heimatvertriebenen meist nicht leisten. So werden auch in diesem Winter wieder viele Babys und ältere Syrer an den Folgen schwerer Lungenentzündungen sterben.
Verschlimmert wird das humanitäre Desaster durch die nahezu aussichtslose politische Situation in Syrien, wo Diktator Baschar al-Assad seine Macht mit russischer und iranischer Hilfe nachhaltig konsolidiert hat. Der bis vor einem Jahr noch angestrebte «Regime Change» in Damaskus steht nicht mehr zur Debatte. Fast alle arabischen Staaten haben ihre Unterstützung für die politische und militärische syrische Opposition inzwischen eingestellt und sind dabei, die Beziehungen zum Assad-Regime wieder aufzunehmen.
Letzte Woche hatten die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre Botschaften in Damaskus wieder eröffnet. Saudi-Arabien und Kuwait wollen im Februar folgen. Bereits Anfang Dezember hatte der sudanesische Präsident Omar al-Baschir, der, wie Assad, als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden soll, Syrien einen offiziellen Besuch abgestattet.
«Während unsere Leute in den Lagern erfrieren und im Mittelmeer ertrinken, setzen sich unsere sogenannten arabischen Brüder mit den Verbrechern in Damaskus wieder in ein Boot», empört sich Nasr al-Hariri, der Chefunterhändler der zersplitterten syrischen Opposition. «Assad», fügt der Exilpolitiker hinzu, «hat vielleicht gewonnen. Aber den Willen unseres Volkes wird er niemals brechen können.»
Als Widerstandsführer muss Al-Hariri Durchhalteparolen verbreiten. Ohne politische Rückendeckung durch die Regionalmächte ist die syrische Opposition jedoch zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Wie Millionen anderer Heimatvertriebener müsse auch er sich «auf die Suche nach einem neuen Heimatland begeben», befürchtet Shady Matar. Der Oppositionsaktivist war vor drei Jahren von der Assad-Armee aus dem Damaszener Vorort Daraya vertrieben und später in die Türkei evakuiert worden. Eine Rückkehr, die theoretisch möglich wäre, kommt für den 25-jährigen Syrer nicht in Frage. Er müsste dann eine «Versöhnungsvereinbarung» mit dem Assad-Regime unterzeichnen, welche in der Praxis nichts anderes bedeutet als die totale Unterwerfung sowie den Dienst in der Staatsarmee, die Matar über Jahre bekämpft hatte.
Aus diesem Grund scheuten die meisten syrischen Flüchtlingsfamilien bisher die Rückkehr in ihre von Assad dominierte Heimat. Da Leidensdruck in den von Regen, Schnee und bitterer Kälte heimgesuchten Lagern im Libanon, in Jordanien und der Türkei ständig wächst, denken viele Syrer mittlerweile über das «so lange Unvorstellbare» nach.
«Wir werden zurückgehen, um wieder menschenwürdig, unter Freunden und Angehörigen, leben zu können», versuchte uns Huda Fakhoury die für diesen Monat geplante Rückkehr ihrer Familie nach Homs zu erklären. «Vielleicht ist dies jetzt sogar mit Assad möglich», bringt die Mutter von vier Kindern ihre Furcht vor der ungewissen Zukunft in ihrem Heimatland zum Ausdruck. Fünf Jahre hatten sich die Fakhourys in einem ehemaligen Schafstall in der libanesischen Bekaaebene «eingerichtet». «Und für die Behausung noch 400 Dollar Monatsmiete bezahlt», schimpft Huda.
Für das Regime in Damaskus ist jeder der rund 350000 Rückkehrer im letzten Jahr ein kleiner Triumph, ein Beweis für die «Standhaftigkeit» des Assad-Clans. Von den Betroffenen wird die Heimkehr meist als Demütigung empfunden. Schliesslich hatten sie ihre Heimat in der Hoffnung auf einen Machtwechsel in Damaskus verlassen, der nun illusorisch geworden ist.