Militärputsch im Sudan: Streitkräfte setzen Langzeitpräsidenten al-Bashir ab

Sudans Präsident Omar al-Bashir wurde nach monatelangen Massenprotesten vom Militär abgesetzt. Dieses verspricht dem Volk nun freie Wahlen – will zuerst aber zwei Jahre selber regieren.

Martin Gehlen, Tunis
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Feiernde Sudanesen, nachdem bekannt wurde, dass das Militär den Präsidenten Omar al-Bashir entmachtet hat. (Bild: AP (Khartum, 11. April 2019))

Feiernde Sudanesen, nachdem bekannt wurde, dass das Militär den Präsidenten Omar al-Bashir entmachtet hat. (Bild: AP (Khartum, 11. April 2019))

Vier Monate lang rebellierte das Volk gegen Omar al-Bashir, am Donnerstag warf der sudanesische Diktator nach dreissig Machtjahren das Handtuch. Wie Verteidigungsminister Awad Ibnouf in einer Fernsehansprache erklärte, wurde der 75-Jährige von der ­Armee entmachtet und verhaftet – für den Sudan eine politische Zäsur. Dem Volk versprach der oberste General freie Wahlen, jedoch erst nach einer zweijährigen Übergangsphase. Während dieser Zeit soll ein Militärrat die Staatsgeschäfte führen. Flughäfen und Grenzen bleiben nach seinen Worten bis auf weiteres geschlossen. Für die nächsten Wochen gilt ausserdem eine nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 4 Uhr morgens, die Verfassung wurde ausser Kraft gesetzt. Der allmächtige Geheimdienst NISS kündigte an, sämtliche politische Gefangene freizulassen.

In einer ersten Reaktion lehnte die «Allianz für Frieden und Wandel», die die Massenproteste koordiniert, das Vorgehen des Militärs rundheraus ab. Die Aktivisten sprachen von einem «Putsch des Regimes», der lediglich wieder die gleichen Gesichter und die gleichen Institutionen nach vorne bringe, gegen die die Bevölkerung aufgestanden sei. «Wir rufen unser Volk auf, den Sit-in vor dem Armeehauptquartier, auf den Strassen und in den Regionen fortzusetzen», hiess es in der Erklärung. Gleichzeitig beschwor die Allianz die Demonstranten, friedlich zu bleiben und sich nicht an öffentlichem oder privatem Eigentum zu vergreifen. Zur Ikone der Protestbewegung stieg in den letzten Tagen die 22-jährige Architekturstudentin Alaa Salah auf, die in traditionellem weissem Gewand und mit runden, goldenen Ohrringen die politischen Gesänge der Menge von einem Autodach aus dirigierte.

Der Militärcoup hatte sich bereits am Morgen angekündigt, als mehrere Truppentransporter zu dem streng abgeschirmten Armeehauptquartier fuhren, wo sich auch die Residenz von Omar al-Bashir und das Verteidigungsministerium befinden. Soldaten bezogen an wichtigen Kreuzungen der Hauptstadt Khartum Stellung.

Ägypten verfolgt die Absetzung alarmiert

Omar al-Bashir ist nach dem algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika der zweite arabische Langzeitherrscher, der in den letzten Tagen durch Massenproteste gestürzt wurde, die in ihren Dimensionen an die Volksaufstände des Arabischen Frühlings 2011 erinnern. Entsprechend alarmiert verfolgt das ägyptische Regime von Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, der sich im Mai per Verfassungsreferendum eine lebenslange Amtszeit verschaffen will, die Vorgänge beim südlichen Nachbarn. Auch die Golfmonarchien, allen voran der Wüstenstaat Saudi-Arabien, stärkten dem sudanesischen Diktator im Ringen mit seinen aufgebrachten Landsleuten bis zuletzt demonstrativ den Rücken.

Am Ende allerdings erzwang im Sudan, wie auch letzte Woche in Algerien, die Armeespitze den Rücktritt des Staatschefs. Und so ist in beiden arabischen Nationen offen, ob die bisher mit der Staatsspitze eng verquickte Generalität tatsächlich bereit ist, den Weg für einen politischen Neuanfang freizumachen, wie ihn die Völker fordern.

Norden ist seit Abspaltung des Südens in der Misere

Der Norden des Sudans mit der Hauptstadt Khartum leidet seit der Abspaltung des Südens im Jahr 2011 unter einer heillosen Wirtschaftsmisere. Drei Viertel aller Ölquellen gingen dem Norden damals verloren. Seitdem wird die Lage im nordostafrikanischen Staat immer desolater, die Währung verfällt, während die Bevölkerung mittlerweile die 40-Millionen-Schwelle überschreitet. In 7 der 18 Provinzen herrschen Anarchie und Bürgerkrieg. Obendrein lasten wegen des Völkermords in Darfur internationale Sanktionen auf dem Land. 2009 erliess der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sogar einen Haftbefehl gegen Omar al-Bashir.

Ausgelöst wurden die Massenproteste im Dezember, als die Führung versuchte, den Brotpreis zu verdreifachen. Die Kundgebungen weiteten sich rasch zu einem allgemeinen Aufstand aus. «Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit», riefen die Sudanesen und forderten den Sturz des Regimes. Im Februar rief der bedrängte Autokrat den Ausnahmezustand aus und ernannte Mohamed Tahir Ayala zum neuen Premier­minister, ohne dass sich die Lage beruhigte. Bei Zusammenstössen zwischen Demonstranten und ­Sicherheitskräften starben bisher mindestens 49 Menschen, darunter etliche Polizisten. Die Opposition im Sudan ist wie in Algerien wegen der jahrzehntelangen Repression schwach und zersplittert. Der von Diktator al-Bashir 1989 abgesetzte 83-jährige Ex-Premierminister Sadiq al-Mahdi kehrte erst kürzlich nach jahrelangem Exil in seine Heimat zurück.