Spanien
Neue Wendung im Abhörskandal: Kataloniens Separatisten drohen der Regierung

Die neuesten Enthüllungen über angebliche Abhörprogramme der spanischen Regierung erschweren den Dialog zwischen Madrid und Barcelona. Das könnte sogar zu Neuwahlen führen.

Manuel Meyer, Madrid
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Der katalanische Regierungschef Pere Aragonès droht der spanischen Regierung die Unterstützung zu entziehen.

Der katalanische Regierungschef Pere Aragonès droht der spanischen Regierung die Unterstützung zu entziehen.

EPA

Die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine - lange trat der Unabhängigkeitskonflikt zwischen Spanien und Katalonien in den Hintergrund. Doch nun ist es mit dem politischen Frieden vorbei. Der gerade erst beginnende Dialog zur Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona und der weiteren Entwicklung der Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien steht kurz vor dem Aus.

Der Auslöser? Angeblich hat die spanische Zentralregierung jahrelang Kataloniens Separatistenführer illegal mit dem israelischen Spyware-Abhörprogramm Pegasus ausspioniert. Laut einem am Montag veröffentlichten Report der in Kanada ansässigen Forschungsgruppe Citizen Lab wurden zwischen 2017 und 2020 die Mobiltelefone von mindestens 63 katalanischen Separatistenführern abgehört. Die Zeit, in der die für das illegale Unabhängigkeitsreferendum von 2017 verantwortlichen Mitglieder von Puigdemonts Regionalregierung der Prozess gemacht und die Selbstverwaltung der Region zeitweise aufgehoben wurde.

Kataloniens separatistischer Regierungschef Pere Aragonès ist empört. «Wir wünschen, dass der Dialog mit der spanischen Regierung fortgeführt wird. Aber dafür braucht es ein Minimum an Vertrauen und das besteht derzeit einfach nicht», erklärte Aragonès im Gespräch mit CH Media.

Der Schritt könnte zum Sturz der Regierung führen

Mehr noch: «Sollte die spanische Regierung nicht klarstellen, wer für den Lauschangriff verantwortlich ist, könnten wir ihr unsere parlamentarische Unterstützung entziehen», warnte Kataloniens Regierungschef. Die Konsequenzen wären schwerwiegend und könnten sogar zum Sturz der spanischen Regierung und zu Neuwahlen führen.

Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez steht in Madrid nur einer schwachen Minderheitsregierung mit der linken Unidas Podemos vor. Im Parlament hängt seine Regierungsstabilität von Aragonès separatistischen Linksrepublikanern (ERC) ab.

Die mühsam erzielte Annäherung ist gefährdet

Nachdem die Zentralregierung die für das illegale Unabhängigkeitsreferendum von 2017 inhaftierten Regionalpolitiker letztes Jahr begnadigt und die Linksrepublikaner mit Pere Aragonès an der Spitze die Führung in Katalonien übernommen hatten, nahm der politische Dauerkonflikt ab. Im Gegensatz zum vorherigen und nach Brüssel geflüchteten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont setzen Aragonès und seine Partei auf den Dialog und wollen ein legales und international anerkanntes Unabhängigkeitsreferendum aushandeln.

Neuwahlen und ein nicht unrealistischer Wahlsieg der Konservativen würden die Verhandlungen wieder auf Eis legen. Aragonès ist sich des Risikos bewusst. «Aber wie dialogbereit ist diese Regierung wirklich, sollte sie für den Lauschangriff verantwortlich sein oder davon zumindest gewusst haben?», fragt sich der katalanische Separatistenführer. «Wir wollen wissen, wer für die Spionage verantwortlich ist, warum sie befohlen wurde und fordern Konsequenzen und Köpfe», so Aragonès.

Die von dem israelischen Unternehmen NSO Group entwickelte Spionage-Malware wird nur an staatliche Einrichtungen zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität verkauft. Aragonès glaubt nicht, dass andere Regierungen wie die russische an der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Interesse gehabt habe. Er ist überzeugt, der spanische Geheimdienst CNI stecke hinter dem Lauschangriff.

Neben den letzten vier separatistischen Regierungschefs Kataloniens wurde auch zahlreiche Parlamentarier der Unabhängigkeitsbewegung sowie die Anwälte der inhaftierten Regionalpolitiker ausspioniert.