Frankreich
Rachid Abou Houdeyfa: Einst war er Rapper – als Imam verdammt er Musik

Nach den Anschlägen in Paris wächst in Frankreich die Kritik an salafistischen Imamen. Einer von Ihnen ist Rachid Abou Houdeyfa - ein Star. Offiziell ist er gegen den Dschihad und verteufelt Musiktempel wie das «Bataclan».

Stefan Brändle, Paris
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Imam Rachid Abou Houdeyfa.

Imam Rachid Abou Houdeyfa.

HO

«Gehorcht der gute Moslem seiner Frau? Natürlich!», ruft der Imam, und seine dunklen Augen blitzen wie nach einem gelungenen Schelmenstreich. «Wenn sie überfordert ist im Haushalt, muss er ihr selbstverständlich helfen. Nein, wir sagen nicht, die Muslima sei ihrem Mann unterworfen. Das passt uns nicht.»

Der Redeausschnitt findet sich auf der Website von Rachid Abou Houdeyfa. Mit seinem rhythmischen «tchatche», dem Akzent der Banlieue-Jugend, sagt der 35-jährige Franzose weiter: «Der Polizeipräfekt von Paris hat erklärt, in seiner Stadt habe es in einem einzigen Jahr 800 sexuelle Übergriffe gegeben, mehr als 8000! Ich sage: Schlagt eure Frauen nicht!»

Auf eine Null mehr oder weniger kommt es dem Imam offenbar nicht an. Wichtig ist der Effekt: Houdeyfa zeigt dem ganzen Land, dass er nicht der rückständige Gottesprediger ist, als den ihn französische Medien gerne darstellen.

Nach den Pariser Terroranschlägen verurteilte der agile Bretone aus einem Immigrantenviertel von Brest (Bretagne) die «Barbaren» und «Terroristen» mit aller Deutlichkeit. Schon immer seien kriminelle Taten im Namen der Religion begangen worden, erklärte er.

Heute geschehe das leider im Namen des Islam, weshalb er als Prediger «ohne jede Ambivalenz» klarmachen müsse, dass diese Akte keinesfalls mit dem Islam zu rechtfertigen seien.

Twitter, Youtube und Facebook

Auch das war eine indirekte Antwort an seine Kritiker. Sie werfen ihm trotzdem eine ambivalente und letztlich gefährliche Haltung vor. Der agile Mann mit Kinnbart und Kahlkopf bedient sich, wie einst die amerikanischen Fernsehprediger, der neuen Medien, um über seine Moschee hinaus bekannt zu werden.

Er kommuniziert via Twitter, Youtube und Facebook, wo er 187 000 Anhänger zählt.

Weniger modern ist sein Diskurs. Houdeyfa, der mit bürgerlichem Namen Rachid El Jay heisst, gehört zum gewaltlosen Flügel der Salafisten und bezieht sich ausdrücklich auf Standpunkte und Quellen, die vor «vierzehn Jahrhunderten» entstanden waren, wie er selber hervorhebt, als wäre das ein unschlagbarer Vorteil.

Bekannte Salafisten aus den Pariser Vorstädten predigen mit dem gleichen Argument gegen Feministinnen und Schweinefleisch. Houdeyfa, der früher gerne rappte und von sich sagt, er sei «weder ein Weiser noch ein Mufti», gibt sich viel aufgeschlossener.

Auf ebenso eloquente wie vehemente Weise macht er sich über seine Kritiker lustig, wenn sie seine Rückständigkeit anprangern.

Musik ist «haram»

Nicht mehr zu löschen vermag er allerdings ein Youtube-Video, in dem er Zehnjährige um sich geschart hat und ihnen erklärt, Musik sei «haram», also unzulässig, verboten. Wer auf seinem Telefon oder MP3-Gerät Musikvideos lade und höre, werde in einen Affen oder ein Schwein verwandelt, droht Houdeyfa den Kids.

Die staunen zuerst, machen aber bald mit. Auf die Schlussfrage des Predigers, was Musik sei, antworten sie nun wie aus einer Kehle: «haram!»

Das Video wurde vor den Pariser Anschlägen aufgenommen. Das Wochenmagazin «L’Obs» stellt dem Prediger dennoch die Grundsatzfrage: «Wo beginnt der Radikalismus?»

Schafft Houdeyfa mit seinen Worten nicht den Nährboden für Terroristen, die bewusst einen Konzertsaal wie das «Bataclan» oder die dort aufgetretene Band Eagles of Death Metal zur Zielscheibe machten?

Das befürchtet auch die Anthropologin Dounia Bouzar, die in der Pariser Umgebung mehrere Projekte zur «Deradikalisierung» entgleister Banlieue-Kids leitet.

Sie hat Hunderte von Lebensläufen von Anhängern der Terrormiliz IS geprüft und festgestellt: «Wenn man im Cache ihrer Computer nachschaut, stösst man bei den frühesten Einträgen meist auf die Videos dieser Imame.»

Starprediger wie Houdeyfa sprechen ganz offensichtlich auch Jugendliche an, die für die als altmodisch und verstaubt geltenden Moschee-Rektoren nur Verachtung übrig haben. Bloss verdammen diese Salafisten, selbst wenn sie jeden Terror zurückweisen, ebenfalls die westliche Lebensart – und damit auch die Pariser Bistrokultur, die Ziel der jüngsten Anschläge war.

Darüber diskutiert Houdeyfa aber nicht öffentlich, verweigert er sich doch systematisch den Anfragen französischer Medien. Die französische Polizei scheint sich derzeit die Frage zu stellen, auf welcher Seite Houdeyfa wirklich stehe.

Im Zuge des nationalen Ausnahmezustandes wurde seine Moschee in Brest am vergangenen Freitag von über hundert Polizisten einer mehrstündigen Hausdurchsuchung unterzogen.