Russland
Noch ist Sotschi eine einzige Baustelle

In 100 Tagen beginnen am Schwarzen Meer die Olympischen Winterspiele. Der Countdown läuft, und Premier Putin tut alles daran, dass es ein rauschendes Fest wird.

André Ballin, Moskau
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Eröffnet: Arbeiter befestigen über dem Eingang des neuen Bahnhofs in Sotschi die olympischen Ringe. Keystone

Eröffnet: Arbeiter befestigen über dem Eingang des neuen Bahnhofs in Sotschi die olympischen Ringe. Keystone

Der Countdown läuft: In 100 Tagen starten in Sotschi am Schwarzen Meer die Olympischen Winterspiele. Russlands Präsident Wladimir Putin verspricht ein Wohlfühl-Klima. Vorsorglich werden schon mal die Gastarbeiter abgeschoben.

Thomas Bach, der neue IOC-Präsident, ist zuversichtlich: «Ich bin davon überzeugt, dass die Spiele in Sotschi ein hohes Niveau haben werden», sagte er zu Wochenbeginn bei der Eröffnung des neuen Bahnhofs in Sotschis südlichstem Stadtteil Adler. In Adler sind die gesamten Stadien sowie das olympische Dorf untergebracht, während die alpinen Wettbewerbe rund um das Bergdorf Krasnaja Poljana stattfinden. Auch nach Krasnaja Poljana wurde zur besseren Erreichbarkeit für die Gäste und Teilnehmer der Winterspiele eine Bahnverbindung eingerichtet – mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro das teuerste Olympiaprojekt.

Kreml hofft auf Imagegewinn

Es soll ein rauschendes Fest werden, wenn am 7. Februar der Vorhang für die Spiele gehoben wird. Der russische Olympiachef Alexander Schukow hofft auf 10 bis 14 Goldmedaillen und die gesamte russische Führung auf einen riesigen Imagegewinn. Dafür hat der Kreml weder Kosten noch Mühen gescheut. Die Kosten der Olympischen Spiele, insgesamt geschätzt knapp 40 Milliarden Euro, sind allerdings neben der Zwangsumsiedlung von einigen tausend Bewohnern und zahlreichen Umweltsünden beim Bau einer der wichtigsten Kritikpunkte.

Aufgebläht wurde die Rechnung wohl nicht nur durch die schwierigen geografischen und klimatischen Bedingungen – Sotschi ist bislang der einzige in den Subtropen gelegene Ort, in dem eine Regierung auf die Idee kam, Winterspiele auszurichten – sondern auch durch Zeitdruck und Korruption.

Milliarden-Korruptionsskandal in Sotschi
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Blick in den «Bolshoy Ice Dome», Austragungsstätte von Eishockey-Spielen.
Fertig gebaut: Der «Bolshoy Ice Dome» im Olympia-Park in Sotschi.
Die Shayba Arena.
Das Biathlon Center in Krasnaya Polyana in der Nähe von Sotschi.
Eisschnellauf-Stadion für Olympische Spiele 2014 (Archivbild)

Milliarden-Korruptionsskandal in Sotschi

Keystone

Nur wenig Aufträge für Schweizer

Noch jetzt wird eifrig gebaut. Weder das olympische Dorf noch das Fisht-Stadion, in dem Eröffnungs- und Abschlusszeremonie stattfinden sollen, sind ganz fertig. Gerade aufgebaut wird auch noch der Schweizer Pavillon. Doch dort verläuft alles im Rahmen der Zeitplanung. Ansonsten haben Schweizer Unternehmen bei Olympia ohnehin nicht viel abbekommen. Der Auftragswert liegt gemäss internen Schätzungen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

Wirklich problematisch sieht es bei der Infrastruktur aus. Viele Hotelanlagen müssen noch zum Abschluss gebracht werden, einige Projekte dürften erst nach den Spielen bereitstehen. Auch im Strassenbau gibt es noch Nachholbedarf. Teilweise schon fertige Strassenabschnitte wurden zuletzt wieder aufgerissen, um nachträglich die fehlende Kanalisation zu verlegen. «Die Stadt erinnert an ein Frontgebiet», sagt der 41-jährige Sascha Froll, der in Sotschi als Englischlehrer arbeitet.

Einige Verbesserungen gibt es immerhin: Die Stadt ist laut Froll behindertenfreundlicher geworden, auch wenn der Rollstuhlfahrer den Zustand «noch lange nicht optimal» nennt. Zudem wurde eine Parallel- strasse zur bislang einzigen Verbindungsstrasse zwischen dem Zentrum Sotschis und Adler errichtet, die die Staus künftig verringern soll.

Zuletzt freilich waren die Staus im Schwarzmeerkurort durch die vielen Baustellen noch länger als üblich. Doch Putin beruhigt alle Skeptiker: Bis zu Beginn der Spiele werde alles fertig sein, versicherte er. Darüber hinaus antwortete der Kreml-Chef auf die vereinzelten Boykottaufrufe, die es nach der Verschärfung der Homosexuellengesetze in Russland gab, mit einer Art Wohlfühlgarantie: «Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass sich Athleten, Fans und Gäste bei den Olympischen Spielen wohlfühlen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, der Rasse oder der sexuellen Ausrichtung», sagte er.

Gastarbeiter passen nicht ins Bild

Auf die Gastarbeiter aus dem Kaukasus und den zentralasiatischen GUS-Republiken, die unter oft unwürdigen Bedingungen auf den Olympia-Baustellen geschuftet haben, erstreckt sich diese Garantie offensichtlich nicht. Auf sie wurde von Behördenseite zuletzt regelrecht Jagd veranstaltet. Sie passen nicht so recht ins heile Olympiabild und sollen nun schnell abgeschoben werden.