Was in der Echtwelt verboten ist, soll es auch im Internet sein: Facebook und Co. drohen hohe Strafen, wenn sie nicht gegen illegale und schädliche Inhalte vorgehen. Das Internetgesetz der EU wird weitum als Meilenstein wahrgenommen.
Schädliche «Fake News» und Desinformation im Internet sind ein echtes Problem und können zur Gefahr für den Zusammenhalt einer Gesellschaft werden. Das hat spätestens die Coronapandemie gezeigt und aktuell zeigt es der Ukraine-Krieg und die von Russland verbreitete Propaganda wieder. Schon seit einiger Zeit arbeitet die EU deshalb an einer Art Grundgesetz fürs Internet.
Das Prinzip kann vereinfacht so beschrieben werden: Alles, was in der echten Welt verboten ist, soll auch im Internet verboten sein. Es geht um Hassrede und schädliche Desinformation. Aber auch um unerlaubtes Datensammeln, manipulative Algorithmen und die Verbreitung illegaler Inhalte und Waren.
Mit dem «Gesetz über digitale Dienste» (DSA) werden Soziale Medien wie Facebook und Instagram, aber auch Suchmaschinen wie Google und Online-Marktplätze wie Ebay die Pflicht genommen. Sie sind neu dafür mitverantwortlich, was auf ihren Portalen angezeigt wird. Der DSA ist die Schwester-Regulierung zum kürzlich vorgestellten «Gesetz über digitale Märkte» (DMA), welches die missbräuchliche Marktmacht von Internetgiganten wie Google oder Amazon brechen soll.
Am Samstag haben sich die Verhandler der EU-Mitgliedstaaten zusammen mit dem EU-Parlament nach über 16-stündigem Ringen auf das Gesetz geeinigt. Weitum ist man sich einig, dass das DSA ein Meilenstein in der digitalen Gesetzgebung darstellt. Sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama erwähnte die Bemühungen der Europäer in einer Rede an der Universität Stanford zum Zustand der Demokratie vor wenigen Tagen anerkennend.
The way I’m going to evaluate any proposal touching on social media and the internet is whether it strengthens or weakens the prospects for healthy, inclusive democracy. pic.twitter.com/jmPMO28KMU
— Barack Obama (@BarackObama) April 22, 2022
Konkret soll es Internetnutzerinnen und -nutzern ermöglicht werden, zu erfahren, weshalb sie welche Inhalte angezeigt bekommen. Die grössten der Internetfirmen müssen dazu auch Einblick in die Funktionsweise ihrer Algorithmen geben. Das Melden und Löschen illegaler Inhalte soll vereinfacht werden, gezielter Werbung über personalisierte Daten wie die sexuelle Orientierung werden Grenzen gesetzt, ebenso dem Ausspähen von Nutzern. Ein Schwerpunkt bildet der Schutz von Minderjährigen.
Plattformen mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern unterliegen zudem strengeren Regeln. Sie müssen einmal im Jahr eine Risikoanalyse anstellen, ob sie genug tun und das Ergebnis unabhängig prüfen lassen. Wer im wiederholten Fall gegen die neuen Regeln verstösst, riskiert eine Busse von bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes. Das kann bei Giganten wie Google oder Apple schnell in die Milliarden gehen.
Obwohl das neue Gesetz mehrheitlich auf breiter Linie begrüsst wird, gibt es auch Kritik. Für Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei, gehen die digitalen Bürgerrechte zu wenig weit. Auf der anderen Seite fürchtet er, dass das Gesetz von illiberalen Regierungen zur Zensur missbraucht werden könnte. Anderen ist wiederum der Machtzuwachs der EU-Kommission ein Dorn im Auge, welche über die einheitliche Anwendung der Regeln in Europa wacht.
🇩🇪 Trauriges Ergebnis zum #DigitalServicesAct #DSA: Industrie- und Regierungsinteressen setzen sich weitestgehend gegen digitale Bürgerrechte durch. Die Bezeichnung ‚Digitales Grundgesetz‘ verdient das neue Regelwerk nicht. Infos: https://t.co/CUmU7CEcZU
— Patrick Breyer #JoinMastodon (@echo_pbreyer) April 23, 2022