KOMMENTAR
EU-Beitrittskandidat: Ein wichtiger, symbolischer Schritt für die Ukraine

Die Ukraine wird morgen und auch übermorgen noch nicht bereit für einen EU-Beitritt sein. Trotzdem haben die Europäer kaum eine andere Wahl, als ihr jetzt die Tür zu öffnen. Es ist ihr geopolitisches Rendez-vous mit der Geschichte.

Remo Hess, Brüssel
Remo Hess, Brüssel
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Ziel erreicht: Wolodomir Selenski erhält für sein Land den Status als EU-Beitrittskandidat.

Ziel erreicht: Wolodomir Selenski erhält für sein Land den Status als EU-Beitrittskandidat.

Keystone

Heute wird die EU der Ukraine ihren Wunsch erfüllen und ihr den Status als Beitritts-Kandidatin verleihen. Es ist ein Zeichen der Solidarität mit einem Land, dem von einem gewalttätigen Nachbarn ohne eigenes Verschulden ein blutiger Krieg aufgezwungen worden ist. Europa als Friedensprojekt: Für die Ukrainerinnen und Ukrainer ist die oft totgesagte Idee noch quicklebendig.

Gleichwohl muss man sich fragen: Kann das gut gehen? Die Ukraine wird dem Staatenbund auf absehbare Zeit nicht beitreten können. Der Krieg ist nur einer der Gründe. Im Land grassiert die Korruption. Die Wirtschaft ist nicht in Ansätzen konkurrenzfähig.

Ebenso muss man daran zweifeln, dass die EU bald bereit sein wird für die Aufnahme des nach Russland flächenmässig grössten Staats in Europa. Klemmt es nicht schon mit den aktuell 27 Mitgliedern arg in der Kompromissmaschine? Mit der Ukraine, Moldawien und den Staaten des Westbalkans könnte der Club dereinst auf 35 anwachsen, mit Georgien bis ans Kaspische Meer drängen. Es droht die Überdehnung.

Trotzdem öffnet die EU der Ukraine die Tür. Ist das nun «heuchlerisch», weil man weiss, dass es Jahrzehnte bis zu einem Beitritt dauern könnte, wenn überhaupt?

Nein. Auch die Ukraine weiss, dass es ein langer Weg wird. Ihn nicht freizugeben, wäre aber ein grosses Versagen der Europäer in der Stunde des geopolitischen Rendez-vous mit der Geschichte. Und es wäre ein Sieg für Putin.