Italien
«Grillini» zerfallen zu Sternenstaub: Luigi di Maio gibt der Ukrainepolitik die Schuld – wo liegt der wahre Grund?

Italiens Aussenminister Luigi Di Maio tritt aus der Fünf-Sterne-Protestbewegung aus und tritt einen Massenexodus los. Was nun aus der Idee von Komiker Beppe Grillo wird.

Dominik Straub, Rom
Drucken
Stützt die Waffenlieferungen der Regierung von Mario Draghi (links) an die Ukraine: Aussenminister Luigi Di Maio (rechts).

Stützt die Waffenlieferungen der Regierung von Mario Draghi (links) an die Ukraine: Aussenminister Luigi Di Maio (rechts).

Bild: Riccardo Antimiani/EPA

Mit der «mehrdeutigen Haltung einiger Führer der Fünf-Sterne-Bewegung» zu den Waffenlieferungen an die Ukraine sei Italien Schaden zugefügt worden, begründete Di Maio am Dienstagabend seinen Austritt aus der Protestbewegung. Er bezeichnete es als «unverantwortlich», in einer derart ernsten Situation die Politik und die Einheit der Regierung in Frage zu stellen. Der 35-jährige Aussenminister betonte:

«Dieser Krieg ist keine mediale Show, er ist real, und seine Opfer sind real. Angesichts der Brutalität muss man sich entscheiden, auf welcher Seite der Geschichte man stehen will.»

Im Visier hatte Di Maio in erster Linie den Parteichef der Fünf Sterne, Ex-Premier Giuseppe Conte. Dieser hatte wiederholt gefordert, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern und stattdessen die diplomatischen Friedensbemühungen zu verstärken.

Diese Haltung ist ziemlich populär in Italien - aber sie steht im Widerspruch zu der auch von Di Maio unterstützten Linie von Regierungschef Mario Draghi.

Di Maio will nicht warten, bis die Amtszeit-Guillotine fällt

Das Zerwürfnis mit Conte wegen der Waffenlieferungen dürfte für Di Maio aber lediglich ein willkommener Vorwand gewesen sein, die Fünf Sterne zu verlassen. Der wahre Grund für den Parteiaustritt ist die in den Statuten der Protestbewegung vorgesehene Amtszeitbeschränkung auf maximal zwei Legislaturperioden. Die Regelung hätte für Di Maio zur Folge gehabt, dass er bei den nächsten Parlamentswahlen im Frühling 2023 nicht mehr hätte kandidieren können.

Der ehemalige Sandwich-Verkäufer im Fussballstadion von Neapel wäre also gezwungen gewesen, sich schon in wenigen Monaten nach einem anderen Broterwerb umzusehen.

Welche Existenzängste die Amtszeitbeschränkung unter zahlreichen Parlamentariern der Fünf Sterne erzeugt, lässt sich auch daran ablesen, dass mit Di Maio gleich über 60 weitere Abgeordnete und Senatoren aus der Protestbewegung ausgetreten sind - die meisten von ihnen befinden sich wie der Aussenminister ebenfalls schon in der zweiten Amtszeit.

Es wirkte wie eine Massenflucht - und die Parteispaltung führt dazu, dass nun nicht mehr die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Protestbewegung, sondern die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini stärkste Regierungspartei ist.

Was wird nun aus der Protestpartei des Polit-Komikers Beppe Grillo?

Was wird nun aus der Protestpartei des Polit-Komikers Beppe Grillo?

Bild: Alessandro Di Meo/ EPA Ansa

Das Beispiel zeigt, wie etabliert die «Grillini» mittlerweile sind

Die Beschränkung auf zwei Amtszeiten ist der eigentliche Markenkern der Anti-System-Partei: Sie dient zur Abgrenzung von der verhassten «Kaste», also den Berufspolitikern der traditionellen Parteien, denen die «Grillini» Parasitentum auf Kosten der Steuerzahler vorwerfen.

Kombiniert ist die Amtszeitbeschränkung mit der Verpflichtung der Fünf-Sterne-Mandatsträger, auf die Hälfte ihrer üppigen Politikergehälter zu verzichten und diese für wohltätige Zwecke zu spenden. Dieses Versprechen haben etliche «Grillini» inzwischen vergessen oder verdrängt: Mehr als hundert ihrer Parlamentarier sind mit der teilweisen Rückerstattung der Gehälter in Verzug oder haben sie gleich ganz eingestellt.

Nicht wenige der einstigen Rebellen sind selber zur Kaste geworden. Die Protestbewegung, die bei den Parlamentswahlen von 2018 mit 34 Prozent der Stimmen stärkste politische Kraft des Landes geworden war, hat in der Zwischenzeit praktisch jeden Kredit bei den Wählerinnen und Wählern verloren und spielt bei Wahlen kaum noch eine Rolle. Mit der Parteispaltung dürften die «Grillini» endgültig zu Sternenstaub zerfallen.