Über 20 Staaten hatten die Impfungen mit Astrazeneca vorübergehend gestoppt, weil sie eine Häufung von schwerwiegenden Thrombose-Fällen vermuteten. Jetzt hält die Europäische Medizinalbehörde fest: Der Nutzen überwiegt das Risiko. Einen Zusammenhang endgültig ausschliessen kann sie aber nicht.
Astrazeneca sei ein «sicheres und effektives Impfmittel, um die Menschen gegen Covid zu schützen», so Emer Cooke, Direktorin der Europäischen Medizinbehörde EMA am Donnerstag. Die Vorteile der Impfung würden die Risiken klar übertreffen, welche mit einer Covid-Erkrankung einhergingen und zu Hospitalisierung und Tod führen könnten.
EMA’s safety committee (PRAC) concludes that the benefits of the #COVID19Vaccine AstraZeneca still outweigh its risks despite possible link to rare blood clots associated with low levels of blood platelets.
— EU Medicines Agency (@EMA_News) March 18, 2021
👉Read more: https://t.co/WCdaKqOPxB pic.twitter.com/0NO8kh5a48
Die EMA kommt zum Schluss, dass der Impfstoff zu keiner generellen Erhöhung von Thrombosefällen geführt habe. Wenn man Millionen Menschen impfe, könne es in zeitlicher Nähe immer zu Thrombosen kommen, da solche relativ häufig seien in der Bevölkerung, so Cooke. Sie empfiehlt deshalb, die Impfungen mit Astrazeneca uneingeschränkt fortzusetzen.
Einen Zusammenhang zwischen den seltenen Blutgerinnseln in den Hirnvenen, wie sie bei einigen mit Astrazeneca geimpften Personen aufgetreten sind und bei mehreren zum Tod geführt hat, konnte die EMA aber nicht endgültig ausschliessen. Sie schlägt deshalb vor, auf mögliche Risiken hinzuweisen und die Patienteninformation zu verbessern. EMA-Chefin Cooke: «Ich würde mich morgen sofort impfen lassen. Aber ich möchte wissen, was zu tun ist, falls etwas nicht in Ordnung ist».
Anfang Woche hatten über 20 Staaten, darunter Frankreich, Deutschland und Italien, die Impfungen mit Astrazeneca vorübergehend ausgesetzt, da es im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung zu seltenen sogenannten Sinusvenenthrombosen im Gehirn gekommen ist. In Deutschland sind insgesamt 13 Fälle bekannt, wovon es sich bei 12 um Frauen handelt. Ob angesichts der relativen Häufung unter Frauen ein Zusammenhang mit dem Geschlecht besteht, konnte die EMA nicht sagen. Sie wies aber darauf hin, dass bei Frauen Thrombosen allgemein häufiger vorkommen. Insgesamt wurden in Deutschland 1,6 Millionen Astrazeneca Impfdosen verabreicht.
Wenn AstraZeneca zugelassen wird, muss flexibler und so viel wie möglich geimpft werden. Die Hausärzte sind dafür die besten Vermittler. Sollte der Impfstoff nicht zugelassen werden, darf er nicht weggeschmissen werden. Besser wäre dann eine Impfung auf eigenes Risiko.
— Markus Söder (@Markus_Soeder) March 18, 2021
Nach der EMA-Empfehlungen können die Impfungen mit Astrazeneca jetzt wieder aufgenommen werden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte, jetzt «flexibler und so viel wie möglich» zu impfen. Ob die Aussetzung der Impfungen eine Auswirkung auf das Vertrauen der Bevölkerung hat, wird sich zeigen. Bereits heute liegen in Europa Millionen von Astrazeneca-Impfdosen ungenutzt herum, da das Vakzin ein Vertrauensproblem hat, seit es von der deutschen Impfkommission als nur geeignet für unter 65-jährige eingestuft wurde.
The EU has been exporting vaccines in support of global cooperation.
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) March 17, 2021
But open roads run in both directions.
If needed we’ll reflect on how to adjust our exports based on reciprocity and, in the case of countries with higher vaccination rates than us, proportionality.
Gleichzeitig ist die EU vom Astrazeneca-Impfstoff stark unterversorgt. Der schwedisch-britische Pharmahersteller hat seine Liefermengen mehrmals stark nach unten korrigiert. Die EU wirft Astrazeneca vor, wegen exklusiven «UK first»-Verträgen mit der britischen Regierung keine Impfdosen aus ihren Werken in Grossbritannien nach Europa zu exportieren. Gleichzeitig liefere die EU aber rund 10 Millionen Impfdosen des deutschen Herstellers Biontech/Pfizer ins Vereinigte Königreich, beschwerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie fordert «Reziprozität» und drohte am Mittwoch damit, «neue Instrumente» einsetzen zu wollen, damit die EU «ihren fairen Anteil» erhalte. Konkret heisst das: Die EU könnte sämtliche Exporte nach Grossbritannien und andere Länder blockieren, die selbst keine Impfstoffe ausführen. Ob sie das wirklich wollen, werden die EU-Staats- und Regierungschefs an ihrem Gipfeltreffen kommende Woche besprechen.