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Starke Unabhängigkeitsbewegungen, ein korrupter Ex-König und ein grenzwertiges «Maulkorbgesetz» machen der Regierung zu schaffen. Trotzdem gehts Spanien besser als etwa Italien oder Frankreich.
Schlechte News für Carles Puigdemont: Der katalanische Separatistenführer kann sich nicht mehr sicher fühlen in seinem belgischen Exil. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat seine Immunität am Dienstagabend aufgehoben. Damit verlieren Puigdemont und zwei seiner ebenfalls geflohenen Mitstreiter vorerst ihren Schutz vor einer Auslieferung an Spanien, wo ihnen wegen der Durchführung eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums 2017 langjährige Haftstrafen drohen. Puigdemont will den Entscheid vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten. Und auch die belgische Justiz hat ihr letztes Wort noch nicht gesprochen.
Der Etappensieg gegen den unliebsamen politischen Gegner freut die spanische Justiz. Allerdings hat das Land derzeit grad ganz andere Probleme. Spanien steht genau 40 Jahre nach dem Putschversuch durch die paramilitärische Guardia Civil am politischen Scheideweg. Die Erinnerung an den 23. Februar 1981 sind omnipräsent. Damals, nur sechs Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco, wollte ein Teil des Militärs wieder an die Macht. Spaniens junger König Juan Carlos sollte an der Seite einer Militärjunta das Zepter übernehmen. Doch zur Überraschung der Militärs schlug sich Juan Carlos auf die Seite der Demokratie. Wenige Stunden später gaben die Putschisten auf.
Wie wacklig die spanische Demokratie 40 Jahre nach dem Putschversuch ist, zeigt ein Überblick über die aktuellen Probleme:
- Separatistenstreit spitzt sich zu: Bei den jüngsten Wahlen Mitte Februar konnten die Befürworter eines unabhängigen Katalonien ihre Mehrheit im Regionalparlament verteidigen. Doch Katalonien ist nicht die einzige Gegend, die sich von Madrid lösen will. Gleich sechs Parteien katalanischer, baskischer und galicischer Separatisten erklärten jüngst in einem gemeinsamen Manifest, die spanische Verfassung sei die Basis für staatliche Repression, Ungleichheit, fehlende Gerechtigkeit, Korruption und die Unterdrückung von Freiheiten. Derweil wollen Spaniens Liberale und die rechtspopulistische Vox die Separatistenparteien verbieten lassen. Sie sehen in ihnen eine Gefahr für die Demokratie.
- Königshaus unter Beschuss: Sogar Spaniens linkspopulistischer Vize-Regierungschef Pablo Iglesias zweifelt inzwischen offen an, ob die parlamentarische Monarchie in Zukunft das richtige Staatsmodell ist für Spanien. In Ungnade fiel die Monarchie nicht zuletzt wegen der Skandalgeschichten rund um den abgetretenen König Juan Carlos, gegen den die Justiz wegen Korruption und Steuerhinterziehung ermittelt. Der 83-Jährige ist 2019 ins Exil nach Abu Dhabi geflüchtet.
- Verhaftung von kritischen Künstlern: Die Festnahme des Rappers Pablo Hasél lässt Spanien nicht zur Ruhe kommen. Seit über einer Woche dauern die Proteste gegen die Verhaftung des Rappers an. Der Musiker wurde vergangene Woche unter anderem wegen Majestätsbeleidung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. In einem angeblichen Kampf für die Meinungsfreiheit plündern seitdem Tausende Jugendliche Geschäfte, stecken Müllcontainer in Brand und liefern sich Strassenschlachten mit der Polizei.
- Strenges «Maulkorbgesetz»: Seit 2015 gilt in Spanien das «Gesetz zur Sicherheit der Bürger», mit dem die Konservativen unter anderem auf die Gewalt der baskischen Terrororganisation ETA reagiert hatten. Regierungschef Pedro Sánchez hat zwar Reformen angekündigt. Noch immer aber legen Gerichte das sogenannte «Maulkorbgesetz» nach Ansicht von Bürgerrechtlern oftmals viel zu streng aus. So mussten 2016 etwa zwei Handpuppenspieler ins Gefängnis, weil sie in ihrem Kinder-Theaterstück angeblich die ETA verherrlicht hatten.
Droht der spanischen Demokratie gar der Kollaps? Nein, sagt Carlos Rico, Politologe an der Madrider Comillas-Universität, auf Anfrage. «Natürlich gibt es Schwachstellen. Doch keine Demokratie der Welt ist perfekt.» Spanien verfüge über eine solide Demokratie. Das zeige der Demokratie-Länderindex der Zeitschrift «The Economist», bei dem Spanien 2020 im weltweiten Vergleich nur knapp hinter der Schweiz (Rang 12) auf Platz 22 liegt und damit noch vor anderen EU-Staaten wie Frankreich, Italien oder Portugal.