Der ehemalige katalanische Ministerpräsident Puigdemont kann laut einem deutschen Gericht nach Spanien ausgeliefert werden. Jedoch schränkte das Gericht die Auslieferungsgründe ein. So kann Puigdemont nicht wegen Rebellion belangt werden.
Entscheidung im Auslieferungsstreit um den katalanischen Separatistenchef Carles Puigdemont, der sich seit Ende März in Deutschland befindet: Das Oberlandesgericht (OLG) des norddeutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein entschied am Mittwoch, dass eine Überstellung Puigdemonts an Spanien zulässig sei, schränkte jedoch zugleich die Auslieferungsgründe ein.
Das Gericht verfügte, dass aufgrund der deutschen Rechtslage nur eine Übergabe wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder möglich ist. Dafür drohen dort in schweren Fällen bis zu 12 Jahre Haft. Eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion sei hingegen nicht möglich, weil der im deutschen Recht mit diesem Vorwurf vergleichbare Straftatbestand des Hochverrats nicht erfüllt sei. Die in Betracht kommende deutsche Strafvorschrift des Hochverrats gehe von einem Gewaltniveau aus, das durch die in Spanien erfolgten Auseinandersetzungen nicht erreicht worden sei, befanden die Richter. Für Rebellion liegt die spanische Höchststrafe bei 30 Jahren. Auch eine Auslieferung wegen Landfriedensbruchs sei aufgrund der deutschen Rechtsnormen nicht möglich.
Dies bedeutet, dass Puigdemont in Spanien nach einer Überstellung nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Untreue angeklagt werden kann. Dabei geht es darum, dass Puigdemont mehrere Millionen Euro Staatsgelder für das nach Ansicht der spanischen Zentralregierung illegale Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 ausgegeben haben soll. Das Referendum, bei dem es zu Gewalt zwischen der Polizei und Separatisten kam, war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden. Entsprechend wird die Ausgabe von Steuergeldern für die Abstimmung als Veruntreuung bewertet.
Die Richter stellten zudem klar, dass Puigdemont nicht aus politischen Gründen in Spanien vor Gericht gestellt werden soll. «Dass das Auslieferungsersuchen dazu dienen solle, Carles Puigdemont in Spanien politisch zu verfolgen, wie der Verfolgte meint, schliesst der Senat aus.» Es sei abwegig, dem EU-Mitglied Spanien eine nicht rechtsstaatliche Vorgehensweise zu unterstellen.
Die Gerichtsentscheidung ist wohl nicht das letzte Wort in diesem internationalen Rechtsstreit. Puigdemonts Anwälte hatten im Vorfeld gedroht, eine Auslieferungsentscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzufechten. Und auch aus Spaniens Obersten Gerichtshof, der die Ermittlungen führt, hörte man, dass eine Beschränkung des Puigdemont-Prozesses durch die deutsche Justiz vermutlich nicht hingenommen werde. Spaniens Oberstes Gericht denkt über mehrere Möglichkeiten nach: Etwa über einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof, um prüfen zu lassen, ob die deutschen Richter das europäische Auslieferungsrecht korrekt angewendet haben. Denn dieses sieht vor, dass mutmassliche Straftäter innerhalb der EU schnell und ohne grössere juristische Hürden überstellt werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Spanien angesichts der vom Gericht auferlegten Beschränkungen auf die Überstellung Puigdemonts ganz verzichtet. In diesem Fall würde der europäische Haftbefehl wirkungslos, der nationale Haftbefehl bliebe jedoch bestehen. Puigdemont müsste dann bei einer Rückkehr in seine Heimat weiterhin mit seiner Festnahme rechnen. Ihm könnte in diesem Falle in Spanien ohne Einschränkung der Prozess gemacht werden – möglicherweise sogar in Abwesenheit.
In der Tat würde eine Auslieferung Puigdemonts und Anklage wegen Veruntreuung eine paradoxe Situation schaffen: Weiteren hochrangigen katalanischen Politikern, die bereits in Untersuchungshaft sitzen, soll bald der Prozess wegen des schweren Vorwurfs der Rebellion gemacht werden. Der ehemalige Ministerpräsident müsste sich derweil nur wegen Untreue verantworten. Im Falle einer Verurteilung hätte er eine geringere Strafe zu erwarten als die anderen Angeklagten – womit sich die Flucht ins Ausland für ihn strafrechtlich ausgezahlt hätte.