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«Frau Le Pen, Sie sind von Russland abhängig»: Macron und Le Pen liefern sich harten Schlagabtausch

Die beiden Präsidentschaftskandidaten haben sich beim einzigen TV-Duell vor dem entscheidenden Wahlgang am Sonntag nichts geschenkt. Le Pen hat sich deutlich besser geschlagen als noch 2017.

Stefan Brändle, Paris
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Emmanuel Macron und Marine Le Pen zu Beginn des Streitgesprächs

Emmanuel Macron und Marine Le Pen zu Beginn des Streitgesprächs

Bild: keystone

Nationalismus gegen Europa, Xenophobie gegen Weltoffenheit – Putin gegen Nato: Mit Marine Le Pen, 53, und Emmanuel Macron, 44, traten am Mittwochabend zwei Spitzenkandidaten gegeneinander an, die zwei absolut gegensätzliche Visionen der Welt und für ihr Land vertreten.

Auch in Stil und Strategie erwiesen sich die beiden Politiker als sehr unterschiedlich. Le Pen, früher als Polterin bekannt, gab sich ruhig und zurückhaltend. Macron wirkte hinter seiner Lockerheitsfassade recht gespannt und fiel seiner Kontrahentin immer wieder ins Wort. Offensichtlich befürchtete er nicht, als selbstgefällig und rechthaberisch dazustehen. «Ich informiere Sie...», sagte der amtierende Präsident mehrfach zur Rechtsnationalen, die im Unterschied zu ihrem ersten, völlig verpatzten Duell im Jahre 2017 gut in Form war und so oft wie möglich lächelte. «Erteilen Sie mir keine Lektionen», hielt sie Macron entgegen, oder sie fragte ihn:

«Darf ich meinen Satz zu Ende bringen?»

Sie schaffte das Kunststück, sich als rundum normale Kandidatin in Szene zu setzen, die sich in erster Linie «für das Volk» einsetze, wie sie unablässig betonte.

Kreml-Kredit für Frankreichs Staatspräsidentin?

In der Sache gelang es Macron hingegen, Le Pen mehrmals in die Enge zu treiben. So hielt er ihr vor, sie habe von einer russischen Bank aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin im Jahr 2015 einen Millionenkredit erhalten. Er tönte an, das sei wohl die Belohnung dafür gewesen, dass Le Pen zuvor die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim anerkannt habe. «Frau Le Pen, Sie sind von der russischen Staatsführung abhängig», erklärte Macron mit Nachdruck. Damit verband er ungesagt die Frage, wie Le Pen Präsidentin Frankreichs werden wolle, wenn sie den Kredit nicht zurückbezahlt habe und damit bei Putin nach wie vor in der Schuld stehe.

Le Pen verteidigte sich, sie habe im «Ausland» einen Kredit aufnehmen müssen, weil keine französischen Bank ihren Wahlkampf finanzieren wollte. «Ich bin eine völlig freie Frau», erklärte sie weiter. Macron habe Putin nach der Krim-Annexion seinerseits in Versailles und sogar in seiner Sommerresidenz an der Côte d’Azur empfangen. Macron unterbrach sie mit der Feststellung: «Viele Ihrer Entscheide (in Sachen Ukraine) gehen auf ihre Abhängigkeit (von Putin) zurück.»

Marine Le Pen.

Marine Le Pen.

Bild: keystone

Dominierend war in der Debatte das Thema Kaufkraft, das heisst die Preissteigerung für Energie und Lebensmittel. Dieses Thema hatte Le Pen in der Kampagne starken Aufschwung verliehen, da sie sich als Vertreterin des einfachen Volkes ausgibt.

Sie bekräftigte, sie wolle die Mehrwertsteuer auf Energie von 20 auf 5,5 Prozent senken. Macron konterte, seine Regierung habe die Benzinpreise bereits eingefroren. Das sei ein wichtigerer und sozial gerechterer Beitrag gegen die Inflation. Le Pen warf dem Amtsinhaber dagegen vor, er habe die vergangenen fünf Jahre nicht an die ärmeren Franzosen gedacht.

Das Reizthema Immigration und Islamismus war erst nach 23 Uhr, also zwei Stunden nach Gesprächsbeginn angesetzt; viele Zuschauer hatten ihr Fernsehegerät zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschaltet. Le Pen war dies sicherlich recht, versuchte sie doch systematisch, sich als moderate, mitfühlende und staatstragende Kandidatin zu geben. Sie erklärte, sie sei für ein Verbot des islamischen Kopftuches sogar auf der Strasse. Macron warf ihr darauf vor, Frankreich wäre das erste Land der Welt, das eine solche Massnahme einführen würde.

Le Pen gab sich keine Blösse

Ob das TV-Duell die Präsidentschaftswahl entscheiden kann, blieb vorerst offen. In einer Umfrage hatten 14 Prozent der Befragten erklärt, sie machten ihren Wahlentscheid von diesem TV-Duell abhängig. In anderen Umfragen liegt Macron mit 53 oder 54 Prozent vor seiner Herausfordererin. Für Le Pen war es nach ihrem Fiasko von 2017 allerdings schon ein Erfolg, dass sie sich in der ersten, meistgeschauten Hälfte der dreistündigen Monsterdebatte keine eklatante Blösse gab.

Inhaltlich erwies sie sich meist als ebenbürtig, obwohl Macron bei solchen Gelegenheiten jeweils sehr schlagfertig ist. Sein Problem bestand eher darin, dass er es an Bescheidenheit und menschlicher Empathie mangeln liess.

Wahlkampfsujet in Frankreich: Wladimir Putin.

Wahlkampfsujet in Frankreich: Wladimir Putin.

Bild: keystone

Ausserhalb des TV-Studios meldete sich vor der Sendung Linkenchef Jean-Luc Mélenchon zu Wort. Der «dritte Mann» der Präsidentschaftswahl, der im ersten Wahlgang mit nur gut einen Prozentpunkt hinter Le Pen ausgeschieden war, strebt für die linken «Unbeugsamen» einen Sieg bei den Parlamentswahlen von Juni an. Für diesen Fall stellte der Chef der «insoumis» Anspruch auf den Posten des Premierministers. Der zukünftige Präsident erhielte damit in einer «cohabitation» einen schwierigen Partner zugeteilt. Und wenn es eine Präsidentin wäre, könnte man sich ein politisches «Zusammenwohnen» zwischen zwei Tribunen wie Le Pen und Mélenchon schlicht nicht vorstellen.