Im deutschen Wahlkampf reihen die drei Kandidaten eine Panne an die andere. Kanzlerformat attestiert das Volk keinem. Warum das noch nichts heissen muss.
Privat fährt Armin Laschet öko. Im April 2019 – da wollte er vielleicht schon Kanzler von Deutschland werden, hatte es aber noch längst nicht verraten – liess Laschet wissen, er habe sich einen e.GO bestellt, eine Art Schuhschachtel auf vier Rädern mit Elektromotor, die in seiner Heimatstadt Aachen produziert wird. Fast taggenau zwei Jahre später – noch immer hielt er seinen Kanzler-Plan geheim – sagte Laschet dann, dem E-Auto gehöre die Zukunft nicht.
So geht es den Deutschen mit dem Mann, der für die Union das Kanzleramt erhalten will – vielleicht muss man schon «retten» sagen – in einem fort. Was auch immer das Thema ist, die Pandemie, der Klimawandel, die Steuern: Laschet sagt gerne etwas, auch ungefragt. Und gerne am nächsten Tag das Gegenteil.
Vor allem beim Thema Corona ist dieser Wankelmut sehr unangenehm aufgefallen. Weshalb Laschet sich vergangenen Sonntag entschloss, im ZDF-Sommerinterview auf ein entschiedenes Sowohl-als-auch umzuschalten. Er lehnte eine Impfpflicht ab und kündigte zugleich an, falls nötig werde er «im Herbst ... weiter nachdenken». Im Klartext: nach der Bundestagswahl.
Nimmt Deutschland Laschet die Laviererei übel? Oder vielleicht doch eher den Lachanfall vor Flutopfern? Das sagen die aktuellen Umfragen nicht. Aber dass der Unionist abrauscht im Vergleich mit Konkurrentin und Konkurrent: Das brüllen sie geradezu heraus. Am Donnerstag meldet das Institut Forsa den Absturz: Könnten die Deutschen die Kanzlerfrage direkt beantworten – der Letzte, von dem sie sich gerade regieren lassen wollen, ist Laschet. Am Freitag dann berichtet die Forschungsgruppe Wahlen von «massiven Ansehensverlusten» für Laschet. Im Sympathie-und-Leistung-Ranking liegt er nur noch knapp vor der Grünen Annalena Baerbock. Aber meilenweit hinter dem Sozialdemokraten Olaf Scholz. Und auch die CDU sackt – nach wochenlangem Prozentesammeln – wieder ab.
Wenn es überhaupt etwas gibt, das die Union – jenseits von Laschet, der scheinbar unbeirrt einfach immer weiter macht – beruhigen könnte: Dann ist es ein Wert aus der Forsa-Befragung. Fast die Hälfte der Deutschen – 46 Prozent – finden, weder Laschet noch Scholz noch Baerbock hätten Kanzlerformat.
Einerseits: Exakt das hiess es einst auch von Helmut Kohl. Und erst recht von Angela Merkel. Mit bekanntem Ausgang. Andererseits: Wo in diesem zweiten Pandemie-Sommer jenseits des Berliner Regierungsviertels die Kanzlerin-Nachfolge diskutiert wird, da passt die Stimmung exakt zur Umfrage. Baerbock? Jung und frisch am Anfang – aber wer noch nie regiert habe, dürfe nicht dermassen unvorbereitet in eine Kandidatur stolpern. Scholz? Reichlich blass, wenn auch regierungserfahren – aber seine Partei, die SPD sei sowieso unwählbar. Und Laschet? Unfassbar, dass die Union nichts Besseres aufzubieten habe als den.
«Niemand», seufzt ein deutscher Freund, hier A. genannt, «bietet mir eine Perspektive». Eine Freundin, hier B., ganz anderer geographischer und beruflicher Hintergrund, ganz andere politische Vorlieben, findet, genau genommen passten die Kandidaten exakt zum Zustand der Republik: «Architektur, Bildung – du kannst doch hinschauen, wohin du willst: alles Mittelmass.»
Freund C. sieht das ähnlich. Die Deutschen stünden auf das Mediokre. Und, mindestens ebenso wichtig: Sie scheuten das Risiko. «Also guck’ doch: Wahl ist wie Autokauf. Eine Entscheidung – und dann muss es ein paar Jahre lang halten.» Und C. schiebt hinterher: «Die Deutschen lieben den Golf. Weder technisch noch optisch ein Highlight – aber die Leute kaufen ihn seit Jahrzehnten wie blöd.» Dass er langweilig sei – vollkommen egal. Er geniesse dafür den Ruf höchster Zuverlässigkeit. C. glaubt, dass am Ende Laschet die Nase vorn haben wird.