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Glasgow hätte historisch werden können - doch kurz vor Schluss grätscht Indien den Klimaschützern in die Parade

China und Indien verhinderten den ganz grossen Wurf beim Kohleausstieg. Der Gipfel selbst war der klimaschädlichste aller Zeiten. Trotzdem war nicht alles schlecht in Glasgow. 7 Erkenntnisse zum Gipfel.

Fabian Hock
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Alok Sharma, Präsident der Weltklimakonferenz in Glasgow.

Alok Sharma, Präsident der Weltklimakonferenz in Glasgow.

Keystone

Alok Sharma war den Tränen nahe. «Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist», sagte der britische Präsident der Weltklimakonferenz am späten Samstagabend. Kurz zuvor hatten China und Indien einem vorab schon als «historisch» gefeierten Satz zum Ende der Kohle in letzter Minute einiges von der Wirkung genommen. Das Prädikat «historisch» kann dem Gipfel in der schottischen Metropole daher kaum verliehen werden. Fortschritte wurden dennoch erzielt. 7 Erkenntnisse zum emotionalen Ende des Klimagipfels.

Kohlekraft und Dieselautos haben jetzt ein Ablaufdatum

Zu den wichtigsten Ergebnissen von Glasgow zählt der Abschied von der Kohleverbrennung. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Sie werden auch aufgefordert, «ineffiziente» Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Formulierung zu Kohle wurde allerdings in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens abgeschwächt: Statt von einem «Ausstieg» nun nur noch von einem «schrittweisen Abbau» die Rede. Die Industriestaaten wollen in den 30er Jahren aussteigen, andere spätestens in den 40er Jahren.

Zwei Dutzend Staaten vereinbarten zudem ein Enddatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos. Mit dabei sind auch sechs grosse Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford. Die Regierungen wollen, dass alle Verkäufe von neuen Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 emissionsfrei sind, und in den führenden Märkten bis spätestens 2035. Die Autokonzerne sollen spätestens 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Autos und Vans verkaufen. Nicht mit dabei: Das Autoland Deutschland.

Das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel besteht weiter

Die Länder bekennen sich zum Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen - und nicht nur bei deutlich unter zwei Grad, wie es im Pariser Klimaabkommen heisst. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen. Das ist drei Jahre früher als bislang vorgesehen. In der Erklärung wird zudem festgehalten, dass der Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreichbar bleiben soll.

Armen Ländern wird stärker unter die Arme gegriffen

Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Gemeint sind etwa Dürren, Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar.

Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten - also zum Beispiel nach Zerstörungen oder erzwungenen Umsiedlungen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür einzuzahlen. Summen werden aber nicht genannt. Es soll nur «technische Unterstützung» nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.

Reicht das? Auf keinen Fall, sagen Klimaforscher

Der renommierte schwedische Klimaforscher Johan Rockström hat nach den Beschlüssen der Weltklimakonferenz in Glasgow eine schnelle Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen angemahnt. «Vor Glasgow war die Welt auf einem Desaster-Pfad, nach Glasgow sind wir noch immer auf einem gefährlichen Pfad», sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist ein deutlicher Fortschritt, aber bei weitem nicht ausreichend».

Die Schweiz ist unzufrieden

Die Weltklimakonferenz in Glasgow hat die hohen Erwartungen nicht erfüllt: Diese Bilanz zog Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Sonntag in einer Videobotschaft, die sie auf Twitter veröffentlichte. «Man war sich in vielen Punkten nicht einig», sagte Sommaruga. Und das, obwohl dringender Handlungsbedarf bestehe. «In diesem Sinne kann man nicht von einem Erfolg sprechen», kritisierte Sommaruga: «Das Resultat ist nicht wirklich zufriedenstellend.»

Aktivisten sind erschüttert - und sprechen von «Betrug»

Wie immer, wenns ums Klima geht, wartet die Welt gespannt, wie die Wertung der 18-jährigen Schwedin Greta Thunberg ausfällt. Glücklich über das Ergebnis war sie nicht. «Hier ist eine kurze Zusammenfassung», twitterte sie: «Blah, blah, blah. Aber die echte Arbeit geht ausserhalb der Hallen weiter. Wir werden niemals aufgeben, niemals.» Die Aktivistin Luisa Neubauer schob nach: «Diese Abschlusserklärung ist ein Betrug», sagte die 25-Jährige am Sonntag. Sie verrate alle, die schon heute vor «unerträglichen Klimafolgen» stünden.

Glasgow hat die schlechteste Klimabilanz aller Zeiten

An alles hatten die britischen Gastgeber gedacht: Wiederverwertbare Kaffeebecher, elektronische Dokumente statt Papierverschwendung, selbst vegetarisches Haggis aus lokaler Produktion wurde den Gästen aus aller Welt angeboten. Dennoch könnte der Klimagipfel in Glasgow der klimaschädlichste aller Zeiten gewesen sein, stellt die «Washington Post» fest. Denn mit einem geschätzten CO2-Verbrauch von über 100'000 Tonnen liegt Glasgow doppelt so hoch wie seine Vorgänger in Madrid 2019 und Paris 2015.

Mit Material der dpa

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