Unions-Politiker fordern den CDU-Chef zum Rücktritt auf. Statt ihm soll der bayrische CSU-Chef Markus Söder jetzt das Kanzleramt erobern. Und noch ein Name macht bei den deutschen Konservativen die Runde.
Es dürfte laut werden in der heutigen Fraktionssitzung von CDU und CSU (Start um 17 Uhr). Noch nie in ihrer Geschichte hat die Union so schwach abgeschnitten wie bei den Bundestagswahlen am Sonntag. 24,1 Prozent, nur noch Rang zwei hinter den Sozialdemokraten. Es droht die Opposition nach 16 Jahren an der Macht mit Angela Merkel.
Unter Druck ist vor allem CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet. Aus der zweiten Reihe bei der Union wurden bereits Stimmen laut, die dem 60-Jährigen den sofortigen Rücktritt vom Parteivorsitz nahelegen. Möglicherweise erhält Armin Laschet noch eine Gnadenfrist. Er könnte die Union in den Verhandlungen mit FDP und Grünen über ein sogenanntes «Jamaika»-Bündnis anführen. Gelänge Laschet das Wunder einer Regierungsbildung trotz Wahlniederlage, könnte er trotz schwachem Abschneiden und fehlendem Zuspruch aus der Bevölkerung ins Kanzleramt einziehen.
Solange zuwarten wollen aber einige in der Partei nicht. Verschiedene deutsche Zeitungen berichten über Bestrebungen innerhalb der Union, Laschet durch CSU-Chef Markus Söder auszutauschen. Der Franke soll die Union anstelle von Laschet in die «Jamaika»-Verhandlungen führen und bei erfolgreichem Verlauf in der Regierungsverantwortung halten. Die siegreichen Genossen um Olaf Scholz blieben so in der Opposition, der Kanzler hiess plötzlich Markus Söder.
Söder meldete sich noch vor der Fraktionssitzung zu Wort. Er widersprach CDU-Chef Laschet deutlich, der noch am Sonntag davon geredet hatte, die Union habe einen Anspruch aufs Kanzleramt. Aus Platz zwei bei der Wahl «lässt sich nun wirklich kein Regierungsauftrag moralisch legitimieren.» Die besten Chancen, Kanzler zu werden, habe Olaf Scholz, «die SPD ist am Zug.» Indem Söder der SPD zudem ausdrücklich zum Wahlsieg gratulierte, ging der CSU-Chef auf Distanz zu Armin Laschet. Dieser war in die Kritik geraten, weil er bis heute den Genossen nicht gratuliert hatte. Es sei wichtig, «dass man Wahlergebnisse respektiert», meinte Söder.
Während Söder Kritik übt, wird Laschet aus den eigenen Reihen zum Rückzug von der Parteispitze gedrängt. CDU-Mitglied Alexander Mitsch, einst Gründer der konservativen CDU-WerteUnion, wählt drastische Worte:
«Wir haben jetzt die letzte Chance, die Union personell und inhaltlich neu aufzustellen, bevor der komplette Absturz erfolgt.»
Mitsch sieht in Laschet einen der Hauptverantwortlichen für das historisch schlechte Abschneiden der Union. «Er sollte rasch sein Amt zur Verfügung stellen und das Mandat zu Koalitionsverhandlungen in andere Hände geben.»
Eine Rochade zu CSU-Chef Markus Söder hielte Mitsch allerdings für eine schlechte Idee. Denn auch die CSU hat bei den Wahlen massiv an Wählerstimmen eingebüsst, zudem hätten Söders «Querschüsse in Richtung Laschet» während des Wahlkampfes zu einem insgesamt unglücklichen Wahlkampf beigetragen. Söder sei mitverantwortlich für die historische Pleite am Sonntag. Der gebürtige Heidelberger meint:
«Ersetzen wir Laschet durch Söder, vertreiben wir den Teufel
mit dem Beelzebub.»
Der 53-jährige CDU-Politiker würde die Union nach den Merkel-Jahren gerne wieder konservativer verankern. Die Modernisierung in den Merkel-Jahren habe der Union laut Mitsch geschadet. «Wir müssen zurück zu einer Union vor Merkel. Frau Merkel hat die Union niedergerichtet».
Mitsch schlägt vor, den ehemaligen Fraktionschef und Wirtschaftsfachmann Friedrich Merz an die Spitze der CDU zu stellen. Merz solle «Jamaika» verhandeln. Mit der FDP sieht Mitsch viele Schnittmengen zur Union. Wie allerdings die Grünen und der wirtschaftsliberale Merz zueinanderfinden sollten, wüsste Mitsch ebenfalls.
Mitsch sieht in der Regierung in Wien von Sebastian Kurz – dieser führt ein Bündnis aus der konservativen ÖVP und den Grünen an – ein Vorbild für Deutschland. «Dort hat man sich die wesentlichen Politikfelder untereinander aufgeteilt. Die Konservativen kümmern sich um innere Sicherheit, die Grünen um die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft. Das kann auch ein Modell für Deutschland sein.» Denn Mitsch ist überzeugt:
«Friedrich Merz ist die einzige Person,
die ich mir als Kanzler der Union vorstellen kann.»
Apropos Rochade: Zu einer solchen könnte es auch bei den Grünen kommen. Im Frühjahr erhielt die 40-jährige Annalena Baerbock den Vorzug vor Co-Parteichef Robert Habeck, der seine Partei ebenfalls gerne in die Wahlen geführt hätte. Ausschlaggebend war das ungeschriebene grüne Gesetz, wonach bei gleicher Qualifikation die Frau den Vorzug vor dem Mann erhält. Die Grünen konnten sich zwar auf 14,8 Prozent deutlich verbessern, verpassten aber auch wegen vermeidbarer Fehler der Spitzenkandidatin ein besseres Ergebnis.
Nun soll der 52-jährige Grünen Co-Chef Robert Habeck anstatt der gescheiterten Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock den Lead bei anstehenden Koalitionsgesprächen haben. Bei erfolgreichen Verhandlungen – bereits am Mittwoch wollen Grüne und FDP erste Sondierungsgespräche führen – soll Habeck den Vorzug für den Posten des Vizekanzlers vor Baerbock bekommen. Baerbock und Habeck wollten entsprechende Berichte nicht bestätigen, dementierten die getroffene Absprache allerdings nicht.