Frankreich
Aus Spargründen: Paris will das Elsass von der Karte tilgen

Gebietsreform: Die Zahl der französischen Regionen wird von 22 auf 13 reduziert. Das Elsass soll mit Lothringen und der Region Champagne-Ardennes vereinigt werden. Die Elsässer wollen das jedoch nicht akzeptieren.

Stefan Brändle, Paris
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Eine typische Elsaesser Landschaft, aufgenommen im Ecomusee.

Eine typische Elsaesser Landschaft, aufgenommen im Ecomusee.

Keystone

Die französische Landkarte wird neu gezeichnet: Zu Sparzwecken reduziert die Nationalversammlung die Zahl der Regionen. Gestern Abend billigte sie definitiv die von Präsident François Hollande lancierte Gebietsreform.

Die drei potenziellen Fusions-Regionen. zvg/Badische Zeitung

Die drei potenziellen Fusions-Regionen. zvg/Badische Zeitung

zvg/Badische Zeitung

Wichtigste Neuerung: Die Zahl von 22 Regionen wird bis zum 1. Januar 2016 auf 13 reduziert. Die neuen «Super-Regionen» sollen wirtschaftlich ebenso stark werden wie deutsche Bundesländer und Milliarden Euro einsparen. Wie viel, weiss allerdings niemand.

Im Elsass regt sich heftiger Widerstand gegen die Gebietsreform. Die Elsässer werden mit Lothringen und der Region Champagne-Ardennes zu einem Gebilde mit 5,5 Millionen Einwohnern vereinigt. Schon im Herbst gingen in Strassburg 10 000 Menschen gegen die Fusion auf die Strasse; am vergangenen Wochenende waren es nochmals 3000.

Die Proteste haben eine sehr politische Note, werden sie doch vor allem von der bürgerlichen «Union für eine Volksbewegung» (UMP) organisiert. Sie gibt in den meisten Gemeinden des Elsass den Ton an und wirft der Linksregierung in Paris vor, sie wolle die traditionell konservative Randregion in einem gesichtslosen Ensemble auflösen. An den Demonstrationen nahmen aber auch unpolitische Verfechter der regionalen Identität teil, weshalb man auch Elsässerdeutsch hörte und zweisprachige Spruchbänder wie «Alsace libre – freies Elsass» lesen konnte.

Zum Widerstand trägt auch bei, dass das Elsass wirtschaftlich besser aufgestellt ist als die Landregionen Champagne und die Ardennen oder das industriell versehrte Lothringen. Die Gesamtheit der knapp zwei Millionen Elsässer ist laut Umfragen gegen die Fusion mit anderen Regionen. Insgesamt hält sich die Protestbewegung aber in Grenzen. Sogar bürgerlich regierte Städte wie Mülhausen verweigerten sich gestern Abend dem Aufruf des UMP-Lokalpolitikers Charles Buttner, aus Protest gegen die Gebietsreform die Sirenen und Glocken ertönen zu lassen. Und Lokalmedien wie «L’Alsace» bezeichneten dies als «une Schnapsidee».

Noch gibt es Hoffnung

Einige Politiker im Elsass hoffen noch, dass ihre Region letztlich doch nicht zwangsfusioniert wird. Sie setzen auf einen Regierungswechsel in Paris, auch wenn dieser frühestens 2017 erfolgen dürfte. Immerhin hatte sich der Senat, das französische Oberhaus, am Montag dafür ausgesprochen, dem Elsass, Lothringen, Champagne-Ardenne sowie den beiden südfranzösischen LRMP-Regionen die Eigenständigkeit zu belassen. Die allein entscheidungsfähige Nationalversammlung ging aber nicht darauf ein. Dass die Opposition gegen Hollandes Reform keine Chance hatte, liegt aber vielleicht nicht nur am französischen Zentralstaatsdenken. Die administrativen Regionen existieren erst seit drei Jahrzehnten und haben nur beschränkte Kompetenzen. Sie bestehen damit bedeutend weniger lange als die Departemente, die bis auf die Französische Revolution zurückgehen.

Die kleinere Verwaltungseinheit der 101 Departemente wollte Hollande ursprünglich ebenfalls auflösen. Das hätte jedoch eine Verfassungsänderung erfordert, und über die dafür nötige Drei-Fünftel-Mehrheit verfügt die regierende Linke nicht. In den nächsten Jahren will Hollande den Departements Kompetenzen in den Bereichen Verkehr und Schule wegnehmen und ihnen nur die teure Sozialhilfe belassen. Vorerst muss er aber warten, bis die Proteste gegen die Regionalreform abgeflaut sind.