Nizza-Anschlag
Attentäter Bouhlel war gewalttätig und kleinkriminell - doch war er auch islamistisch?

Mohamed Lahouaiej Bouhlel ist verantwortlich für den Tod von mindestens 84 Menschen. Doch was war sein Motiv für das Attentat von Nizza?

Stefan Brändle , Paris
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Mohamed Lahouaiej Bouhlel: Der Attentäter von Nizza.

Mohamed Lahouaiej Bouhlel: Der Attentäter von Nizza.

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Vieles aus dem Leben von Mohamed Lahouaiej Bouhlel ist bereits bekannt – abgesehen von der Frage, aus welchem Grund er am Donnerstagabend zu seiner Amokfahrt gestartet war. Der 31-jährige Tunesier stammte aus dem Ort Msaken etwa zehn Kilometer vom Badeort Sousse entfernt. Er lebte in Frankreich mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung. Seit einiger Zeit wohnte er mit seiner Frau und drei Kindern in einer Wohnung im Nordosten von Nizza. Er arbeitete als Auslieferungschauffeur. Beim französischen Geheimdienst war Bouhlel offenbar nicht registriert. Er figurierte auch nicht in der so genannten S-Kartei, die islamistische und andere Radikale auflistet.

Als Kleinkrimineller bekannt

Hingegen war der Mann der lokalen Polizei wegen mehrerer Delikte bekannt. Meist war Gewalt im Spiel: Bouhlel war schon wegen Diebstahl, illegalem Waffenbesitz, Bedrohung und ehelicher Gewalt verurteilt worden. Im März dieses Jahres erhielt er zudem eine bedingte Gefängnisstrafe, weil er bei einem Autounfall den Kopf verloren und eine Holzpalette auf einen anderen Fahrer geworfen hatte. Vor dieser Verurteilung war er zwei Monate unter Justizaufsicht gewesen – aber eben, ohne Mitteilung an die Nachrichtendienste.

Auch Nachbarn schilderten Bouhlel als einen Mann, der «am Ende seiner Kräfte» und entsprechend aggressiv gewesen sei. Der gut aussehende Liebhaber hübscher Frauen und schneller Wagen befand sich in der Scheidung und musste seiner Gattin offenbar bereits hohe Alimente zahlen. Er sei «deprimiert und finanziell erdrückt» gewesen, meinte ein Bekannter auf dem Radiosender France-Info.

Selber nicht gläubig

Nachbarn meinten, er habe im Treppenhaus nie zurückgegrüsst. Ein tunesischer Jugendfreund berichtete, der nachmalige Attentäter sei in seinem Heimatort wegen seines unhöflichen Verhaltens unerwünscht gewesen. Jüngst einmal habe sich Bouhlel geärgert, als andere Muslime den Fastenmonat Ramadan gebrochen hätten. Er selbst sei aber nicht einmal gläubig gewesen.

Bei einer Hausdurchsuchung stiess die Polizei auf keine Spuren einer Zugehörigkeit zu einem Terrornetz oder auch nur islamische oder islamistische Schriften. Ein Bekennerschreiben fand sich ebenso wenig wie ein Abschiedsbrief. Den Laster hatte er am Montag, also drei Tage vor der Amokfahrt, ausserhalb von Nizza auf legale Weise gemietet. In der Fahrerkabine fanden sich eine unbrauchbare Handgranate und die Nachbildung langer Feuerwaffen. Erwiesen ist zudem, dass Bouhlel 84 Menschen umfuhr, auf die Polizisten schoss und aus dem Lastwagen stieg, um selbst erschossen zu werden. Warum er so handelte, bleibt aber vorläufig ein Rätsel.

Staatsanwalt François Molins gab bekannt, dass die Ermittlung nicht nur auf Mord gehe, sondern auch das Handeln «im Zusammenhang mit einer terroristischen Unternehmung» einschliesse. Das Vorgehen Bouhlels folge genau den aus Videos und Zeitschriften bekannten Anweisungen terroristischer Drahtzieher wie der IS-Milizen.