Die langjährige Freundin des Sexualverbrechers Jeffrey Epstein muss ins Gefängnis, nachdem ein Bundesgericht sie wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen für schuldig erklärt hat. Die grosse Frage bleibt: Packt die 60-Jährige nun aus?
Der Schuldspruch gegen Ghislaine Maxwell ist eine Wegmarke. Mit der Verurteilung der ehemaligen Weggefährtin von Jeffrey Epstein, die am Mittwoch vor einem New Yorker Bundesgericht in fünf von sechs Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde, wird erstmals eine Helfershelferin des 2019 verstorbenen Sexualverbrechers rechtlich zur Verantwortung gezogen. Der 60-jährigen Britin drohen bis zu 65 Jahre Gefängnis. Gut möglich also, dass sie den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen wird.
Die Geschichte ist aber noch lange nicht zu Ende. «Jeffrey Epstein hat das nicht allein gemacht», sagte die Journalistin Julie Brown am Donnerstag dem Fernsehsender CBS. Dank ihren jahrelangen Recherchen ist sie bestens vertraut mit den Abgründen des «Fall Epstein». Der reiche Lebemann habe auf «ein ganzes Ökosystem» zurückgreifen können, als er in den Neunziger- und Nullerjahren Hunderte von Minderjährigen und jungen Frauen sexuell missbrauchte, sagte Brown.
Die Journalistin spielt damit nicht nur auf die Angestellten von Epstein an, die ihm in dessen zahlreichen Liegenschaften zudienten. Sie meint vor allem auch die Schönen und Reichen, die sich vor zwanzig Jahren gerne an der Seite Epsteins zeigten.
In der ersten Prozesswoche fielen vor Bundesgericht in New York die Namen von Donald Trump, Bill Clinton und Prinz Andrew. Zu seinen Bekannten zählten auch der Microsoft-Gründer Bill Gates oder der Starmusiker Itzhak Perlman. Sie alle betonen, nichts von den Verbrechen Epsteins und Maxwells gewusst zu haben.
Bleibt die Frage: Wird Maxwell nun, da ihr eine lange Gefängnisstrafe droht, auspacken und der Staatsanwaltschaft über das Innenleben von Epsteins Ökosystem erzählen? Die einfache Antwort auf diese schwierige Frage lautet: Womöglich. Im amerikanischen Rechtssystem fällt die Verhängung des Strafmasses in die Zuständigkeit der Richterin, in diesem Fall Alison Nathan.
Die 49-Jährige könnte Maxwell im Gegenzug für ihre Kooperation mit den Strafermittlungsbehörden mit einer kürzeren Gefängnisstrafe belohnen. Solche Deals sind in der amerikanischen Justiz nichts Ungewöhnliches.
Kopfzerbrechen bereitet dies vor allem Prinz Andrew. Der zweitälteste Sohn der britischen Königin ist aktuell bereits in einen amerikanischen Rechtshändel verwickelt. Virginia Giuffre, ein Epstein-Opfer, bezichtigt den Adeligen des sexuellen Missbrauchs. Prinz Andrew streitet die Vorwürfe ab. Doch seine Anwälte sollen trotzdem nervös auf das Urteil gegen Maxwell reagiert haben, meldete eine britische Boulevardzeitung. Noch in der Nacht auf Donnerstag sollen sie ein Notfallmeeting einberufen haben, um darüber zu beraten, wie sie ihren prominenten Klienten über die Runden retten können.
Eine weitere Entwicklung dürfte den Königinnen-Spross beunruhigen: Prinz Andrew behauptet, dass ein 2009 zwischen Epstein und Giuffre abgeschlossener Vergleich ihn vor zivilrechtlichen Klagen abschirme. Ein Bundesgericht ordnete am Mittwoch die umgehende Veröffentlichung dieses bisher geheim gehaltenen Dokuments an.